Leitsatz (amtlich)

1. Der Widerspruch des Betriebsrats gegen eine ordentliche Kündigung ist schon dann ausreichend begründet und insofern ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, wenn dieser Widerspruch es als möglich erscheinen läßt, daß einer der in § 102 Abs. 3 BetrVG abschließend genannten Widerspruchsgründe geltend gemacht wird.

2. Der Widerspruch ist eine geschäftsähnliche Handlung und muß daher gemäß (analog) § 133 BGB ausgelegt werden.

3. Der Betriebsrat hat gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG im Falle einer betriebsbedingten Kündigung keinen Widerspruchsgrund des Inhalts, daß der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gar nicht weggefallen sei.

4. Macht der Betriebsrat der Sache nach einen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG nicht gegebenen Widerspruchsgrund – wie den, daß der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gar nicht weggefallen sei – geltend, so ist dieser Widerspruch auch dann nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, wenn er im Gegensatz zu seinem sachlichen Inhalt ausdrücklich auf eine bestimmte Nummer des § 102 Abs. 3 BetrVG Bezug nimmt und formelhaft deren Inhalt wiederholt.

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 21.10.1993; Aktenzeichen 32 Ga 236/93)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 21.10.1993 – 32 Ga 236/93 – aufgehoben und der Antrag des Klägers kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in einstweiligen Verfügungsverfahren über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Sales Manager beschäftigt. Gemäß Schreiben vom 5.8.1993 hörte die Beklagte den Betriebsrat wegen einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit dem vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben vom 6.8.1993 folgendermaßen:

Der Betriebsrat widerspricht der beabsichtigten Kündigung gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG aus folgenden Gründen:

Nach den mir vorliegenden Informationen ist es nicht richtig, daß die Firma keinerlei Verkaufs- oder Marketingaktivitäten betreibt. Im Gegenteil, gerade zum jetzigen Zeitpunkt bestehen Verhandlungen mit der TU München über ein gemeinsames Projekt in diesem Bereich.

Außerdem gibt es Bestrebungen der Firma Verkaufe nicht nur im Mainframe- sondern auch in anderen Bereichen zu tätigen, siehe DRS 6000 Projekt.

An beiden Projekten, die schon seit Monaten laufen, wurde … nicht beteiligt, obwohl er die einzige Person innerhalb von … Zweigniederlassung Deutschland ist, die laut Arbeitsvertrag mit Verantwortung für Sales und Marketing ausgestattet ist

Ich sehe daher durchaus Möglichkeiten eventuell nach entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen die Weiterbeschäftigung des … zu ermöglichen.

Trotz dieses Widerspruchs kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13.8.1993 zum 30.9.1993 wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes.

Gegen diese Kündigung bat der Kläger gemäß § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, die am 23.8.1993 beim Arbeitsgericht München eingegangen ist und dort unter der Prozeßregisternummer 15 Ca 12906/93 geführt wird. Der Kläger hat von der Beklagten die Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30.9.1993 verlangt. Die Beklagte ist diesem Verlangen jedoch nicht nachgekommen.

Mit dem am 30.9.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger zur Durchsetzung seines Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVg den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag durch das Urteil vom 21.10.1993 stattgegeben und die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger über den 30.9.1993 hinaus als Sales Manager weiterzubeschäftigen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß sich der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ergebe. Insbesondere sei der Widerspruch des Betriebsrats ordnungsgemäß, weil er sich nicht auf die bloße Wiederholung des Wortlauts eines Widerspruchsgrundes des § 102 Abs. 3 BetrVG beschränke, sondern „die von ihm angeführte Widerspruchsnorm durch hinreichend konkretisierte Vorstellungen hinsichtlich einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit” erläutere Andererseits sei die Beklagte daran gehindert, „die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG überhaupt – sei es im Wege der Einrede oder vermittels eines eigenen Antrags – geltend zu machen.” Und die Glaubhaftmachung eines besonderen Verfügungsgrundes sei nicht erforderlich, „da die Verpflichtung zur Weiterbeschäaftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG dem vorläufigen Rechtsschutz dient und materiell-rechtlich ausgestaltet ist.” Im übrigen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Beklagte macht geltend, daß auch die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung einen Verfügungsgrund voraussetze und daß diese Voraussetzun...

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