Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Formulierung in einer Versorgungsordnung, „eine Ehefrau des rentenberechtigten Arbeitsnehmers erhalte Hinterbliebenenversorgung, wenn die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen und bis zum Tode bestanden hat”, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Ehefrau, die bei Eintritt des rentenberechtigten Arbeitsnehmers mit diesem verheiratet war und nach anschließender Scheidung diesen erneut heiratet, eine Hinterbliebenenversorgung zu erwarten hat.

2. Im Ausschluss der Ehefrau aus der Hinterbliebenenversorgung nach Wiederheirat liegt weder eine Verletzung von Art. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG. Auch ist darin kein Verstoß gegen das AGG wegen Diskriminierung infolge Alters oder des Geschlechts zu erkennen.

 

Normenkette

VO MBB § 9 I 2; GG Art. 3, 6 I, Art. 14 I; AGG §§ 3, 7 II

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 19 Ca 13895/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.10.2013; Aktenzeichen 3 AZR 294/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Juni 2010 – 19 Ca 13895/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, inwieweit der derzeitigen Ehefrau des Klägers eine Anwartschaft auf Witwenrente im Falle seines Ablebens zusteht.

Der am 21. Okt. 1929 geborene Klägers war seit 1. Juli 1976 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Mit Ablauf des 31. Dez. 1992 war er aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in Ruhestand getreten. Seitdem bezieht er u.a. eine betriebliche Altersversorgung gemäß der Versorgungsordnung der Versorgungskasse der … e.V.(vgl. dazu Anlage K 2, Bl. 9 ff. d. A.; nachfolgend VO …) in derzeitiger Höhe von EUR 1.052.– monatlich.

Die seit 12. Sept. 1959 bestandene Ehe des Klägers mit Frau Helga A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 7. Dez. 1993 (– 873 F 1558/91; vgl. Anlage K 3, Bl. 22 ff. d. A.) nach mehr als 3-jähriger Trennung der Ehegatten, geschieden; ein Versorgungsausgleich unterblieb nach einer familiengerichtlich genehmigten Vereinbarung der Parteien nach § 1587o BGB. Am 23. Sept. 1996 ging der Kläger eine neue Ehe ein, welche mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 13. Aug. 2003 (– 564 F 03969/01; vgl. Bl. 30 ff. d. A.) ohne Durchführung eines Versorgungsausgleiches geschieden wurde. Am 18. Juni 2008 heiratete der Kläger Frau Helga A. erneut.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2008 (Bl. 35 d. A.) mit, Frau Helga A. habe im Falle seines Ablebens keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung aus der Versorgungskasse … e.V., da die Ehe erst nach Eintritt des Versorgungsfalles am 1. Jan. 1993 geschlossen worden sei.

Mit seiner am 11. Sept. 2009 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 18. Sept. 2009 zugestellten Klage vom 10. Sept. 2009 begehrt der Kläger die Feststellung, dass seiner derzeitigen Ehefrau im Falle seines Ablebens eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zustehe.

Er ist der Ansicht, § 9 VO … schließe die Ansprüche seiner Ehefrau nicht aus. Der Sonderfall der Wiederverheiratung sei in dieser nicht bedacht worden. Die Ehe habe schließlich während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin bis zu seinem Ruhestandseintritt ununterbrochen bestanden. Zwar erstrebe die VO … den Ausschluss unkalkulierbarer Versorgungslasten durch sog. „Spätehen”. Eine solche sei hier aber nicht gegeben. In diesem Sinne stelle der Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung für seine Ehefrau auch eine willkürliche und planwidrige Härte dar.

Demgegenüber ist die Beklagte der Ansicht, es bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Hinterbliebenenversorgung der Ehefrau des Klägers aus der betrieblichen Altersversorgung. Die derzeitige Ehe des Klägers sei gerade nicht vor Eintritt des Versorgungsfalles (Ruhestandseintritt) geschlossen worden. Sie sieht auch keine Regelungslücke, für den hier gegebenen Fall, dass der Kläger eine Frau, mit der er schon einmal verheiratet gewesen sei, erneut eheliche. Zweck der Vorschrift in der VO … sei eine berechtigte und in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannte Risikobegrenzung des Volumens der Hinterbliebenenversorgung.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 30. Juni 2010 vollumfänglich abgewiesen. Wegen des unstreitigen und des streitigen Sachvortrags im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der maßgeblichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nach der VO … Witwenrente an die Ehefrau nur dann zu leisten sei, wenn die Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles bestanden habe und bis zum Eintritt des Todes des Versorgungsempfängers besteht. Diese – nach Ansicht des Arbeitsgerichts statthafte – Regel...

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