Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessener Nachtschichtzuschlag bei Dauernachtarbeit im Paketdienst. Feststellungsinteresse bei Streit um Rechtsgrundlage der Vergütung. Feststellungsantrag eines Paketfahrers zur Höhe des Nachtzuschlags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird; die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (Elementenfeststellungsklage).

2. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt wird; das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage der Vergütung gerichteten Antrag voraus, dass über weitere Umstände, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten.

3. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat die Arbeitgeberin dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren; diese Regelung dient dem Gesundheitsschutz auch mit dem Ziel, Nachtarbeit wegen der mit ihr verbundenen sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst einzuschränken.

4. Die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG begründet trotz ihrer Stellung im Arbeitszeitgesetz als vorrangig öffentlich-rechtliches Schutzgesetz gleichzeitig unmittelbar auch einen schuldrechtlichen Vergütungs- und Zuschlagsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers.

5. Auch für Dauernachtarbeit im Paketdienst ist im Regelfall ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des jeweiligen Bruttostundenlohnes als angemessen anzusehen; liegen keine Besonderheiten vor, ist eine Abweichung von einem solchen Nachtarbeitszuschlag nach unten oder nach oben nicht gerechtfertigt.

 

Normenkette

ArbZG §§ 6, 6 Abs. 5; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 18.09.2014; Aktenzeichen 30 Ca 1429/14)

 

Tenor

1. Die Berufung beider Parteien gegen die Ziffer 2 des Endurteils vom 18.09.2014 - 30 Ca 1429/14 wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bezahlung von Nachtzuschlägen.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Transportgewerbes, das Teil der U.-Gruppe, einem privaten Paketdienst, ist, seit 13.03.2000 als Lkw-Fahrer beschäftigt und erhielt seit Oktober 2013 einen Bruttostundenlohn in Höhe von 15,90 € den die Beklagte unternehmenseinheitlich für den Bereich West mit einer Abweichung davon für den Stundenlohn Ost zahlt.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien mit Datum 01.03.2000 (Bl. 8-9 d. A.) stand unter § 3:

...

Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter einen Bruttolohn pro Stunde von 13,55 €. Die Abrechnung erfolgt monatlich.

...

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass auf das Vertragsverhältnis kein Tarifvertrag Anwendung findet."

Unter der Überschrift § 7 des Arbeitsvertrages stand unter Ziffer 4:

"...

Alle Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis müssen mindestens drei Monate nach Fälligkeit, bei Ausscheiden spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden schriftlich bei der Firma geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche verfallen."

Seit dem 01.01.2011 arbeitete der Kläger nahezu ausschließlich in der Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Zuletzt fuhr er im Wechsel zwei unterschiedliche Nachtrouten, eine von A. nach N., G. und zurück die andere von A. nach D. und zurück, wobei es auf den Touren sogenannte Verfügbarkeitszeiten in Form von Wartezeiten mit unterschiedlicher Dauer gab.

Für die Arbeit in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr zahlte die Beklagte dem Kläger einen Nachtzuschlag, der in der Zeit von 01.01.2011 bis 30.09.2011 1,75 € brutto und ab 01.10.2011 bis 30.09.2012 1,90 € brutto betrug. Ab 01.10.2012 bis einschließlich 30.09. 2013 zahlte die Beklagte bei einem Bruttostundenlohn von 15,63 € einen Nachtzuschlag in Höhe von 2,92 € brutto. Ab 01.10.2013 betrug der von der Beklagten bezahlte Nachtzuschlag 3,18 € brutto, was rechnerisch 20 % des Grundlohns entsprach.

Der Kläger hat gemeint, ein angemessener Nachtzuschlag müsse einem Betrag iHv. 30 % aus dem Grundgehalt entsprechen, da er nahezu ausschließlich nachts tätig sei und damit am sozialen Leben überhaupt nicht teilnehmen könne und weiterhin erheblichen gesundheitlichen Risiken und Beeinträchtigungen ausgesetzt sei. Er hat auch gemeint, dass bereits ab 21:00...

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