Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbestimmtheit. Einigungsstelle. Mobbing

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer für eine Einigungsstelle mit einem bestimmten Regelungsgegenstand gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG i. V. mit § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil darin Begriffe wie „Mobbing” und „Bossing” genannt sind. Die bloße Tatsache, dass diese Begriffe noch nicht in die Gesetzgebung Eingang gefunden haben steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil Gesetze per se durch den Abstraktheitsgrundsatz gekennzeichnet sind, im Unterschied zum Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Den Begriff „Mobbing” hat das Bundesarbeitsgericht im Übrigen in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (7 ABR 14/96 – AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972) dahin definiert, es sei „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte”. Soweit erkennbar ist der Begriff „Bossing” in seiner Rechtsprechung noch nicht definiert worden, unterfällt aber wohl dem des „Mobbings”, denn nach „Rieble/Klumpp” (ZIP 2002, 369 (379)) spricht man von „Bossing” dann, wenn „der Arbeitgeber in Person (oder als Organ, § 31 BGB) mobbt …”, wobei anscheinend gerade das „Bossing” der Regelfall des „Mobbings” ist. Mit dieser Definition des Bundesarbeitsgerichts für „Mobbing” inklusive „Bossing” ist dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durchaus Genüge getan, weil diejenigen, für die Klarheit geschaffen werden soll, nämlich der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin, sich daran orientieren können. Daran ändert es nichts, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2007 (9 AZR 557/06, n. a. v.) den Begriff des „Mobbings” als zu unbestimmt qualifiziert, weil dies ersichtlich auf die Voraussetzungen eines anderen Streitgegenstandes bezogen ist, nämlich auf ein strittiges Zurückbehaltungsrecht.

2.1. Insoweit genügt eine summarische Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Hinblick auf den Regelungsgegenstand (BAG vom 9. Mai 1995 – 1 ABR 51/94 – AP Nr. 33 zu § 111 BetrVG 1972).

2.2. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG.

§ 75 Abs. 1 BetrVG stellt jedenfalls keine entgegenstehende Gesetzesschranke dar, wenn es darin heißt, dass „Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen haben, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden …” Selbstverständlich kann hieraus ein Mitbestimmungsrecht unter den Umständen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entstehen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt, d. h. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb berührt sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Diskriminierung von Arbeitnehmern i. S. einer Benachteiligung in ihren dort genannten Rechtsgütern, wozu auch die sexuelle Identität gehört. Darüber hinaus ist gerade im Hinblick auf Letztere noch auf § 1 und § 3 Abs. 4 AGG hinzuweisen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um normative Bestimmungen i. S. eines Gesetzesvorbehalts, denn § 12 AGG bestimmt z. B. lediglich, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen und dass dieser Schutz auch vorbeugende Maßnahmen umfasst, also die hier begehrte Prävention. Wie diese Maßnahmen aussehen sollen, ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 12 Abs. 3 AGG, sondern dort ist nur davon die Rede, dass die Arbeitgeberin die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen hat. Es erscheint daher durchaus ein Spielraum für eine kollektive Regelung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG möglich. Insoweit wird insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 1 S. 3 EntgeltfortzahlungsG verwiesen, wonach auch dort ein Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage besteht, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem 4. Tag nachzuweisen ist, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen kann (BAG vom 25. Januar 2000 – 1 ABR 3/99 – AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs). Nichts anderes kann hier gelten für einen Regelungsgegenstand des partnerschaftlichen Verhaltens im Betrieb im Zusammenhang mit Diskriminierung, sexueller Belästigung sowie der Prävention.

3. Was die Regelungsgegenstände „Mobbing” und „Bossing” anbelangt, ergibt sich die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bereits aus der Differenzierung, die das Bundesarbeitsgericht zum Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorgenommen hat. Es unterscheidet insoweit zwischen einem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten und einem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten (BAG vom 18. April 2000 – 1 ABR 22/99 – AP Nr. ...

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