Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsichtnahme des Betriebsrats in die Bruttolohnlisten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Keine Übergabe der Bruttolohnlisten an den Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG oder § 13 Abs. 2 EntgTranspG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht kein Anspruch des Betriebsrats bzw. des Betriebsausschusses auf (dauerhafte) Vorlage der Bruttolohnlisten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, ausgenommen leitende Angestellte.

2. Ein solcher Anspruch besteht auch nicht deswegen da der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG die Aufgabe hat, die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu födern oder nach § 13 Abs. 2 EntgTranspG die Entgeltlisten im Hinblick auf die Lohngerechtigkeit auszuwerten hat. Insbesondere besteht kein Recht, die Listen in einer bestimmten Form (elektronisch) vorzulegen. Aus der Aufgabenzuweisung aus § 13 Abs. 2 EntgTranspG folgt allein ein Anspruch des Betriebsrats auf Aufbereitung der zur Einsicht vorgelegten Listen nach Geschlecht, Tätigkeit etc. Die dem Betriebsrat mit dieser Vorschrift übertragene Auswertung der Bruttolohnlisten kann auch bei bloßer Einsichtnahme der - nach Wahl des Arbeitgebers - elektronisch oder in Papierform zur Verfügung gestellten Listen erfolgen, da die Einsichtnahme zeitlich nicht beschränkt ist.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 S. 2, § 28; EntgTranspG § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2; ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 1-2, § 92 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 233 ff.; GRC Art. 27; RL 2002/14/EG Art. 4 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 06.03.2019; Aktenzeichen 10 BV 22/18)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 23.03.2021; Aktenzeichen 1 ABR 7/20)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 6. März 2019 - 10 BV 22/18 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Aushändigung der Bruttolohnlisten an den Betriebsrat, hilfsweise an den Betriebsausschuss in zu bearbeitender elektronsicher Form, hilfsweise in Papierform, letzterenfalls unter Zur-Verfügung-Stellung von Büropersonal zum Abschreiben der Listen.

Der Antragsteller (nachfolgend: Betriebsrat) ist der für den gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 2 und 3 (nachfolgend: Arbeitgeberinnen) in C-Stadt gebildete Betriebsrat. Dort werden ca. 4.500 Mitarbeiter beschäftigt. 7 Betriebsratsmitglieder sind von ihrer Arbeitspflicht freigestellt.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 (Anlagen ASt1 und 2, Bl. 10 f. d. A.) forderte der Betriebsrat die beiden Arbeitgeberinnen auf, ihm die Entgeltlisten der Beschäftigten primär in zu bearbeitender elektronischer Form, beinhaltend sämtliche Entgeltbestandteile aller Arbeitnehmer, inklusive übertariflicher und frei ausgehandelter Zulagen, aufgeschlüsselt nach dem Geschlecht zur Verfügung zu stellen, um die Aufgaben nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erfüllen zu können. Die Arbeitgeberinnen wiesen das Begehren mit Schreiben vom 19. Juni 2018 (Anlage ASt3, Bl. 12 d. A.) zurück, boten aber Einsichtnahme in die Unterlagen zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen an.

Der Betriebsrat hatte bereits am 23. Mai 2018 den Beschluss gefasst, falls die Arbeitgeberinnen dem Vorlageverlangen nicht nachkämen, ein entsprechendes Beschlussverfahren einzuleiten und die nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Vertretung zu beauftragen.

Mit seinem am 13. Aug. 2018 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und den Arbeitgeberinnen am 20. Aug. 2018 zugestellten Antrag verfolgt der Betriebsrat die Herausgabe der Entgeltlisten an ihn weiter.

Er hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ein dahingehender Anspruch folge aus § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG. Seine gesetzliche Verpflichtung erschöpfe sich nicht nur in einer Auskunftserteilung nach § 14 Abs. 1 EntgTranspG, sondern er nehme insbesondere die Aufgaben nach § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2 EntgTranspG wahr. Daneben bestehe die Pflicht zur Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb. Schließlich müsse er die Entgeltlisten auch auswerten. Dieser Begriff werde in der Rechtsprechung immer wieder synonym als "Nutzung" verstanden. Dieses Recht setze die Überlassung der auszuwertenden Daten voraus.

Er hat erstinstanzlich b e a n t r a g t:

Den Beteiligten zu 2 und 3 wird aufgegeben, dem Betriebsausschuss des Antragstellers für die nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG vorzunehmende Auswertung Listen über die Bruttoentgelte aller betriebsangehörigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten elektronisch mit dem Dateiformat *.xls, *.txt oder einem gleichwertigen auswertbaren Tabellenformat zu übergeben, die nach dem Geschlecht aufgeschlüsselt alle Entgeltbestandteile aller nicht leitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs enthalten, einschließlich übertariflich...

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