Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Änderungskündigung eines Arbeitsverhältnisses im Bereich der Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Obwohl die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland bei ordentlich unkündbaren Mitarbeitern eine außerordentliche Kündigung nur aus in der Person oder in dem Verhalten liegenden Gründen vorsehen, kann eine außerordentliche Kündigung in Extremfällen auch aus betriebsbedingten Gründen zulässig sein. Dabei sind aber zumindest diejenigen Maßstäbe zu berücksichtigen, die für eine bei unkündbaren Mitarbeitern ausnahmsweise zulässige ordentliche betriebsbedingte Kündigung gelten.

2. Bei einer Änderungskündigung dürfen sich die angebotenen Änderungen nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist.

 

Normenkette

AVR-DD § 30 Abs. 3, §§ 31, 32 Abs. 4; BGB § 626 Abs. 1; KSchG §§ 2, 13

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 12.12.2019; Aktenzeichen 2 Ca 751/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.04.2021; Aktenzeichen 2 AZR 357/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 12.12.2019 - 2 Ca 751/19 - abgeändert und festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die mit Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27.06.2019 rechtsunwirksam ist.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Änderungskündigung des nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) ordentlich nicht mehr kündbaren Klägers.

Der im November 1966 geborene Kläger schloss im Jahr 1987 seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann ab und arbeitete anschließend in diesem Beruf. 1991/92 erwarb er die Fachhochschulreife an einem Berufskolleg. Ab 1992 war er zunächst als Pflegehelfer tätig und absolvierte sodann eine Ausbildung zum Krankenpfleger, die er im Jahr 1996 abschloss. Mit dem sich daran anschließenden 4-jährigen Studium zum Religionspädagogen und Gemeindediakon erwarb er die Befähigung als Diplom-Religionspädagoge und Diakon.

Am 01.09.2001 nahm der Kläger bei dem Beklagten eine Vollzeitbeschäftigung als

"Leitender Mitarbeiter mit Verantwortung für den Fachbereich Altenhilfe, einschließlich 'Haus-Service-Ruf' und Sozialstationen"

auf. Laut Dienstvertrag vom 20.07.2001 gelten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung.

Der Beklagte ist ein in A-Stadt ansässiger Diakonieverein mit etwa 800 Mitarbeitern, der rund 30 soziale Dienst und Einrichtungen unterhält. Zu ihm gehören zwei hundertprozentige Tochtergesellschaften, die D. mbH sowie die I. A-Stadt GmbH. Die D. mbH erbringt technische und infrastrukturelle Dienstleistungen, wie z. B. Essensversorgung, Waschen, Hausmeisterdienste etc. Die I. GmbH hat die Aufgabe, benachteiligte Arbeitslose in den Arbeitsprozess einzugliedern. Sie betreibt u. a. verschiedene Märkte, in denen Menschen mit Handicaps beschäftigt werden.

Die Parteien schlossen am 06.04.2004 einen Änderungsvertrag, nach dem der Kläger rückwirkend zum 01.04.2004

"mit 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters als Bereichsleiter stationäre Altenhilfe und mit 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters als Qualitätsbeauftragter"

beschäftigt wird. Der Änderungsvertrag sieht eine Eingruppierung in der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 19 AVR vor. Zum 01.10.2009 gruppierte der Beklagte den Kläger auf dessen Antrag hin in die Entgeltgruppe (EG) 12 AVR um.

Nachdem der Beklagte lange Zeit mit der Arbeit des Klägers zufrieden war, stellte er Anfang des Jahres 2013 Veränderungen in der Aufgabenwahrnehmung fest. Unter Einbindung des satzungsgemäß gebildeten Verwaltungsrats entschied sich der Beklagte dafür, die Stelle des Bereichsleiters stationäre Altenhilfe zum 01.01.2014 ersatzlos zu streichen und die Leiter der einzelnen Einrichtungen direkt dem Vorstand zu unterstellen. In der Folge sprach der Beklagte mehrere Änderungskündigungen mit unterschiedlichen Änderungsangeboten aus, gegen die sich der Kläger jeweils mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich zur Wehr setzte:

1. Änderungskündigung vom 17.06.2013 zum 31.12.2013

2. Änderungskündigung vom 26.03.2014 zum 30.09.2014

3. Änderungskündigung vom 30.09.2014 zum 31.03.2015

4. Änderungskündigung vom 30.03.2015 zum 30.09.2015

5. Änderungskündigung vom 30.03.2016 zum 30.09.2016

6. Änderungskündigung vom 13.11.2018 zum 30.06.2019

Aufgaben der Bereichsleitung Altenhilfe nahm der Kläger ab 2014 nicht mehr wahr. Der Beklagte beschäftigte ihn zunächst im Qualitätsmanagement weiter. Zum September 2015 übertrug der Beklagte die Koordination des Qualitätsmanagements auf ein...

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