Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Assistentin der Geschäftsleitung wegen Vereinbarung einer Abfindung aus Anlass des Ausscheidens im Zuge einer unternehmerischen Neuausrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer seine eigenen Interessen denen des Arbeitgebers unterzuordnen hat. Der Arbeitnehmer darf ebenso wie der Arbeitgeber seine Interessen im Rahmen der bestehenden Regelungen wahren. Das gilt insbesondere bei dem Abschluss von Arbeits-, Änderungs- oder Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträgen.

2. Der Arbeitnehmer verletzt seine Rücksichtnahmepflicht bei Eingehung eines Vertrages, wenn er sich in kollusivem Zusammenwirken mit einem Vertreter des Arbeitgebers Leistungen versprechen lässt, die aus keinem Gesichtspunkt berechtigt sein können und offensichtlich den Interessen des Arbeitgebers zuwiderlaufen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, § 241 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 20.11.2018; Aktenzeichen 13 Ca 74/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 20.11.2018 - 13 Ca 74/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und die Rückzahlung einer Abfindung.

Die im November 1972 geborene Klägerin nahm am 01.08.2002 bei der M. GmbH mit Sitz in C-Stadt eine Beschäftigung als Leiterin der internen Dienste auf. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war Herr V. S.. Am 01.04.2003 wurde über das Vermögen der M. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Dienstsitz war C-Stadt.

Am 02.09.2003 wechselte die Klägerin zur R. N. GmbH mit Sitz in C-Stadt, die mit dem Vertrieb, Handel und Verkauf von Back- und Konditoreiwaren sowie Tiefkühlbackwaren befasst war. Geschäftsführer der R. N. GmbH war wiederum Herr S.. Die Klägerin arbeitete dort als Betriebsassistentin im Handel. Diese Gesellschaft firmierte im Jahr 2007 in H. V. B. GmbH um. Ab dem 01.07.2009 war die Klägerin dort als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Im Wege des Betriebsübergangs wechselte die Klägerin zu einer anderen von Herrn S. geführten Gesellschaft. Das monatliche Gehalt der Klägerin belief sich ab dem 01.11.2011 auf € 4.500,- brutto.

Die Parteien schlossen, datiert auf den 30.10.2016, einem Sonntag, mit Wirkung zum 01.11.2016 den folgenden Arbeitsvertrag:

"...

§ 1 Tätigkeit

Der Arbeitnehmer ist als Assistentin der Geschäftsführung beim Arbeitgeber tätig.

§ 2 Arbeitszeit

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich, ohne Berücksichtigung der Pausen. ...

§ 3 Vergütung

(1) Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von

4.500,00 €

...

§ 4 Probezeit / Betriebszugehörigkeit

(1) Die Probezeit entfällt.

(2) Der Arbeitnehmer ist seit Juli 2002 bei anderen Konzernunternehmen bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Die Parteien gehen insoweit übereinstimmend von einer Betriebszugehörigkeit seit Juli 2002 aus.

...

§ 8 Nutzung eines Firmenfahrzeugs

(1) Die Arbeitgeberin wird der Arbeitnehmerin auch zur privaten Nutzung einen Dienstwagen der "Golf"-Klasse zur Verfügung stellen. ...

...

§ 10 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet.

(2) Das Arbeitsverhältnis kann beiderseits unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Monatsende ordentlich gekündigt werden.

...

(5) Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer mit Ausspruch einer Kündigung - gleichgültig von welcher Seite - unter Fortzahlung seiner Bezüge und unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freizustellen.

...

§ 11 Abfindung

(1) Sollte das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin durch ordentliche Kündigung der Arbeitgeberin, durch Aufhebungsvertrag, durch Renteneintritt der Arbeitnehmerin (Altersrente oder unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente) oder durch Tod der Arbeitnehmerin beendet werden, erhält die Arbeitnehmerin pro Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit bei der Arbeitgeberin oder etwaigen Rechtsvorgängern eine Abfindung in Höhe eines Betrages von 4.000,00 € brutto/angefangenem Beschäftigungsjahr. Der Abfindungsanspruch geht im Falle des Todes der Arbeitnehmerin auf deren Erben über.

(2) Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin besteht ein Anspruch auf Abfindung nach den Regeln aus Absatz (1)

..."

Die Klägerin war zumindest seit dem Jahr 2013 regelmäßig zugleich für die A. F. A. GmbH tätig, einer in Z. auf Usedom ansässigen Gesellschaft, die historische Fahrzeuge zu Wasser, zu Land und in der Luft betreibt und damit handelt. Die A. F. A. verfügt insbesondere über verschiedene historische Kampf- und Zivilflugzeuge, die in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung zusammengefasst sind. Zu dieser Ausstellun...

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