Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von § 19 Abs. 3 AVR hinsichtlich des Ausscheidens schwerbehindeter Mitarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

§ 19 Abs. 3 AVR ("Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung mit Ende des Monats, in dem der Mitarbeiter das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagfreien Regelaltersrente vollendet") ist nicht dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu dem Zeitpunkt endet, zu dem im Falle der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, dieser einen Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente nach §§ 33 Abs. 2, 236 a Abs. 2 SGB VI zusteht.

 

Normenkette

AVR § 19 Abs. 3; SGB VI § 33 Abs. 2, § 236a Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 17.04.2014; Aktenzeichen 1 Ca 3054/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.02.2017; Aktenzeichen 7 AZR 153/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 17.04.2014 - 1 Ca 3054/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer Altersgrenzenregelung beendet wird.

Die am 1951 geborene Beklagte ist seit dem 01.10.1980 bei der Klägerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 12.08.1980 finden auf das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für die für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweiligen Fassung Anwendung. § 19 des allgemeinen Teils der AVR lautet unter Abs. 3:

"Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung mit Ende des Monats, in dem der Mitarbeiter das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet."

Mit Schreiben vom 08.10.2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, das Arbeitsverhältnis der Parteien ende gemäß § 19 Abs. 3 AVR zum 30.06.2014, da der Beklagten ab dem 01.07.2014 aufgrund Ihrer Schwerbehinderung ein Anspruch auf ungekürzte Altersrente zustehe. Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 12.10.2013. Darin heißt es u.a.: Sie deute das Schreiben vom 08.10.2013 als eine unwirksame, indirekte Kündigung. Ihr Dienstverhältnis bestehe bis zum 30.11.2016. Wann sie ihren Rentenantrag stelle, sei allein ihre Entscheidung.

Mit ihrer am 05.12.2013 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.06.2014 beendet ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil(Bl. 69 - 71 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiter der Auffassung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis der Parteien zum 30.06.2014 geendet habe, weil der Beklagten ab 01.07.2014 ein Anspruch auf ungekürzte Altersrente in Form der Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß §§ 33 Abs. 2, 236 a Abs. 2 SGB VI zustehe. Die Klägerin begründet dies mit einer Auslegung des § 19 Abs. 3 AVR dahingehend, dass der dort verwandte Begriff "abschlagsfreie Regelaltersrente" nur dann Sinn machen würde, wenn hiervon nicht nur die Regelaltersrente, sondern auch die anderen sechs Rentenarten, die in § 33 Abs. 2 SGB VI als Altersrenten bezeichnet sind, mit umfasst würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Altersgrenzenregelung eine Kompensation dafür darstelle, dass ein Beschäftigter, der eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber aufweist und das 40. Lebensjahr erreicht hat, ordentlich nicht mehr kündbar ist. Es sei deshalb interessengerecht, wenn die AVR hinsichtlich des Endes des Beschäftigungsverhältnisses auch berücksichtige, dass Schwerbehinderte in einer großen Anzahl von Fällen leistungseingeschränkt seien und ihnen gerade aus diesem Grund besondere Schutzansprüche zustünden. Im Streitfall bestünde, wie sich aus den im Einzelnen aufgeführten Fehlzeiten der Beklagten ergebe, auch für diese eine Leistungsminderung in erheblichem Umfang.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist weiter der Ansicht, dass § 19 Abs. 3 AVR dahingehend auszulegen sein, dass ihr Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin erst zum 30.11.2016 enden könne, weil sie persönlich erst in diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für den Bezug der Regelaltersrente nach näherer Bestimmung der §§ 33 Abs. 2 Nr. 1, 35, 235 Abs. 1 SGB VI erfüllen werde. Sie könne nicht dazu gezwungen werden, aufgrund der privilegierenden Möglichkeit der Inanspruchnahme einer ungekürzten Altersrente für schwerbehinderte Menschen entgegen ihres erklärten Willens aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Für eine derartige Benachteiligung sei keine Rechtfertigung ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichte...

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