Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Nachweis der Echtheit einer Urkunde. Umfang der Echtheitsvermutung bei mehrseitigen Urkunden

 

Leitsatz (amtlich)

Die Echtheitsvermutung des § 440 Abs. 2 ZPO gilt bei mehrseitigen Urkunden für die Vorseiten allenfalls dann, wenn feststeht, dass im Zeitpunkt der Unterzeichnung eine feste Verbindung mit den Vorseiten bestand und diese auch nicht zwischen der Erstellung der Urkunde und der prozessualen Verwertung gelöst oder sonst verändert wurde. Sie gilt mithin nicht ohne weiteres für eine mehrseitige Urkunde, die nach der sog. Auflockerungsrechtsprechung des BGH und des BAG zur Urkundeneinheit i.S.d. § 126 BGB eine einheitliche Urkunde darstellt (entgegen Saarland OLG 21.06.2013 - 5 U 367/12).

 

Normenkette

ZPO §§ 416, 419, 440; BGB § 126; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 06.05.2014; Aktenzeichen 1 Ca 2486/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.05.2014 - 1 Ca 2486/13 h - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus ihrem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft und noch zu beziffernde Zahlung wegen einer von ihm behaupteten vertraglichen Abrede, nach welcher er eine Steigerung seiner Bruttovergütung von 39,00 € pro neuem Vereinsmitglied netto per annum erhalten sollte und dieser Anspruch auch nicht an den Bestand des Arbeitsverhältnisses gebunden sein sollte, vielmehr - so jedenfalls die Rechtsansicht des Klägers - auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Folgejahre jährlich weiter bestehen sollte.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil es zu der Überzeugung gelangt ist, dass die ersten zwei Seiten der vom Kläger vorgelegten dreiseitigen Vertragsurkunde, bei der die Unterschrift auf der letzten Seite unstreitig echt ist, vom Kläger gefälscht worden sind.

Gegen dieses ihm am 28.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2014 Berufung eingelegt und diese am 19.09.2014 begründet.

Beide Parteien verfolgen im Wesentlichen mit Rechtsausführungen und Ausführungen zur Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ihr Prozessziel in der Berufungsinstanz weiter. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und die weiteren zweitinstanzlichen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.05.2014, Aktenzeichen 1 Ca 2486/13 h aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,

  1. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welchen genauen Mitgliederbestand (Anzahl der Vereinsmitglieder) der Beklagte am 01.06.2011 hatte;
  2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern;
  3. an den Kläger nach der Erteilung der Auskunft einen noch zu beziffernden Zahlungsanspruch nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kammer hat den Vorsitzenden des Beklagten, Herrn T , gemäß § 141 ZPO als Partei angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2015 (Bl. 416 ff. d. A.) Bezug genommen. Die strittige, vom Kläger eingereichte Vertragsversion befand sich zur Zeit der mündlichen Verhandlung der Kammer im Original in der Strafakte des Amtsgerichts Düsseldorf (126 Ds 25/15 dort in dem Umschlag Bl. 709 d. A.). Dieser Teil der Strafakte mit dem Original der vom Kläger eingereichten Vertragsversion war zur mündlichen Verhandlung beigezogen. Auch insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2015 (Bl. 418 d. A.) Bezug genommen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätzen nebst Anlage Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

A. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht deshalb prozessual fehlerhaft, weil das Arbeitsgericht nicht über die Widerklage der Beklagten entschieden hat.

Der Kläger hat im Schriftsatz vom 16.01.2015 vorgetragen, über die Widerklage sei am 06.05.2014 verhandelt worden, dem Protokoll der Verhandlung sei eine Rücknahme jedenfalls nicht zu entnehmen. Der Beklagte habe die Widerklage auch nicht schriftsätzlich zurückgenommen. Gleichwohl habe das Arbeitsgericht eine Entscheidung über die Widerklage nicht getroffen. Allein wegen dieses Rechtsfehlers - so meint der Kläger - sei das Urteil aufzuheben.

Der Kläger hat übersehen, dass laut Protokoll des Arbeitsgerichts vom 06.05.2014 (Bl. 293 d. A.) das Arbeitsgericht die Beklagtenseite darauf hingewiesen hat, dass für die Widerklage der Recht...

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