Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechts- und Parteifähigkeit der beklagten GmbH nach Auflösung und Löschung aus dem Handelsregister. Freie gerichtliche Würdigung der Beweiskraft einer mit äußerlichen Mängeln behafteten maschinenschriftlichen Urkunde. Abfindungsklage eines Kraftfahrers bei misslungenem Gegenbeweis zur nachträglichen Einfügung der Abfindungsregelung in den Arbeitsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine wirksam erhobene Klage wird nicht durch die Löschung einer der Parteien aus dem Handelsregister unzulässig (Anschluss an BGH, Urteil vom 05.07.2012 III ZR 116/11).

2. Gemäß § 419 ZPO entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern. Dies gilt auch, wenn sich aus der Urkunde selbst Zweifel an ihrer Richtigkeit ergeben. Dem Gericht ist, soweit § 419 ZPO greift, die durch die §§ 415 ff ZPO aufgehobene freie Überzeugungsbildung zurückgegeben.

 

Normenkette

ZPO §§ 50, 419; BGB § 611a; ZPO §§ 416, 440 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 01.07.2014; Aktenzeichen 1 Ca 868/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 01.07.2014 (1 Ca 868/13) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer vertraglich vereinbarten Abfindung.

Der 1955 geborene Kläger hatte bei der Beklagten am 28.05.1990 eine Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen. Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 28.05.1990 als Speditions-, Transport- und Lagereiunternehmen gegründet und am 27.09.1990 als J.A. E. GmbH im Handelsregister eingetragen. Geschäftsführer waren laut Handelsregister E. und der Kläger. Die Beklagte hatte ihren Geschäftssitz zunächst in B./R. in den Wohnräumen des Klägers und seiner Ehefrau E. A.. Im Jahr 1991 verlegte die Beklagte ihren Sitz innerhalb von B. und zog in die T.straße. Im Dezember 1993 beschloss die Gesellschafterversammlung die Sitzverlegung nach A-Stadt. Die Beklagte hatte regelmäßig 17 Kraftfahrer beschäftigt. Der Alleingesellschafter der Beklagten, Herr E., betrieb und betreibt weitere Unternehmen in Deutschland und in Schweden. Mit Schreiben vom 29.05.2013 (Bl. 4 d.A.) hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum 31.12.2013 wegen Betriebsstilllegung gekündigt. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Kündigungsschutzklage vom 04.06.2013. Durch Gesellschafterbeschluss vom 15.08.2013 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen. Tatsächlich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen. Er war ausschließlich als Kraftfahrer tätig.

Am 26.09.2013 beschloss die Gesellschafterversammlung, die Firma in "C." umzubenennen und den Geschäftsführer auszuwechseln. Durch Beschluss der Gesellschafter vom 23.07.2014 wurde der Sitz der Beklagten von A-Stadt nach C-Stadt verlegt und der im Rubrum benannte Geschäftsführer bestimmt. Eine Eintragung erfolgte zur Registernummer HRB 205195 des Amtsgerichts Walsrode. Am 08.05.2015 wurde der zuletzt tätige Geschäftsführer als Liquidator ins Handelsregister eingetragen (Bl. 522 d.A.). Am 06.09.2017 wurde die Beklagte aus dem Handelsregister gelöscht.

Der Kläger behauptet, mit der Beklagten auf einem maschinenschriftlich ausgefüllten Formular den folgenden Arbeitsvertrag (Bl. 122 d.A.) geschlossen zu haben [Anmerkung: maschinenschriftliche Ergänzungen sind abweichend vom Original kursiv dargestellt; die Streichungen wurden im Original mit Lineal und Stift vorgenommen]:

"ARBEITSVERTRAG

für Angestellte

Zwischen J.A. E. GmbH-vertreten durch den Geschäftsführer Herrn E. (Name des Betriebs)

in ___R.____________ (Ort) ___üSH_______________________ (Straße/Platz)

- im folgenden kurz Arbeitgeber genannt -

und den __ und E. A.___ geb. am ___22.03.1955/09.03.1953_____

Herrn/Frau/Fräulein

Eheleuten

wohnhaft in ____ A-Stadt F.-N.-Str. ___________________

- im folgenden kurz Arbeitnehmer genannt -

wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen

§ 1 Inhalt und Beginn des Arbeitsverhältnisses

Herr (1.)

1. Herr/Frau/xxxxxxxx _____1. A.____ 2. E. A._______

(2.)

tritt ab 1. 01.07.1991/2. 03.10.1992 als 1.Geschäftsführer-Kraftfahrer/2.Buchhalter

(genaue Berufsbezeichnung)

Geschäftsführertätigkeit seit 28.05.1990

auf unbestimmte Dauer in die Dienste des oben bezeichneten Arbeitgebers.

2. Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das _____- - -___________ -handwerk jeweils gültigen Bestimmungen

- des Rahmen- bzw. Manteltarifvertrages

- des Gehaltstarifvertrages

- Gehaltsrahmenabkommens

- des tariflichen Arbeitszeitabkommens

- sowie ggfls. weiterer einschlägiger Tarifverträge.

3. Soweit tarifvertraglich nichts anderes geregelt ist, gelten die ersten 3 Monate als Probearbeitsverhältnis. Während dieser Probezeit kann beiderseits mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Sofern ein für beide Parteien geltender Tarifvertrag eine ander...

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