Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsimmanentes Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses. "Wichtiger Grund" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Verweigerung der vertragsgemäßen Beschäftigung als wichtiger Grund für eine Eigenkündigung. Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Weigerung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, kann an sich geeignet sein, den Ausspruch einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dieses aus § 60 HGB abzuleitende vertragsimmanente Wettbewerbsverbot ist allerdings nur solange gültig, wie das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht.

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis rechtswirksam fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Dies gilt sowohl für eine fristlose arbeitgeberseitige Kündigung wie auch für eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

3. Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung gemäß §§ 611a, 613 BGB i.V.m. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird.

 

Normenkette

BGB § 626; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; HGB § 60 Abs. 1; BGB §§ 242, 611a, 613; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 25.10.2022; Aktenzeichen 16 Ga 60/22)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.2022 - 16 Ga 60/22 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit für die Dauer der Kündigungsfrist und dabei insbesondere darüber, ob eine von der Verfügungsbeklagten erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist.

Die Verfügungsklägerin produziert u.a. für verschiedene Fernsehsender Formate aus dem Bereich Factual Entertainment. Die Verfügungsbeklagte wurde bei der Verfügungsklägerin am 08.01.2007 als Creative Director eingestellt. In § 2 ihres Arbeitsvertrags vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende und in § 5 ein Monatsgehalt von 7.500 € brutto, welches sich zuletzt auf 12.500 Euro brutto belief. Zuletzt war sie fachlich und disziplinarisch für 20 bis 30 Mitarbeiter verantwortlich.

§ 9 des Vertrags lautet:

"§ 9 Vertragliches Wettbewerbsverbot

Während der Dauer dieses Arbeitsvertrages unterliegt der ARBEITNEHMER einem umfassenden Wettbewerbsverbot. Insbesondere ist es dem ARBEITNEHMER untersagt, als ARBEITNEHMER, freier Mitarbeiter oder in irgendeiner sonstigen Form für einen Wettbewerber des ARBEITGEBERS oder eines mit dem ARBEITGEBER im Sinne von § 15 AktG verbundenen Unternehmens tätig zu werden oder ein solches Wettbewerbsunternehmen zu gründen oder sich an einem solchen Wettbewerbsunternehmen zu beteiligen."

Seit 01.03.2022 war die Verfügungsbeklagte stellvertretende Geschäftsführerin. Im Juli 2022 bestellte die Gesellschafterin der Verfügungsklägerin eine neue Geschäftsführerin, zwischen der und der ehemaligen Geschäftsführerin sowie der Verfügungsbeklagten es zu Konflikten über die inhaltliche Ausrichtung kam.

Am 11.08.2022 wurde die Verfügungsbeklagte darüber informiert, dass die Firmengründerin und ehemalige Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin abberufen und freigestellt worden sei und aus dem Unternehmen ausscheiden werde. Sie meldete sich sodann arbeitsunfähig krank.

In einer Dienstanweisung der neuen Geschäftsführerin vom 19.08.2022 an die Verfügungsbeklagte heißt es:

"Leider haben wir auf verschiedenen Wegen von nicht abgestimmter Kommunikation gehört, die möglicherweise ihren Grund in Unklarheiten bei der Aufgabenverteilung und des weiteren Vorgehens hat.

Aus diesem Grund und im Interesse der sicheren Fortplanung aller laufenden Projekte müssen wir Dir deswegen heute folgende Dienstanweisung geben:

1. Die Zuständigkeiten für die laufenden Projekte wurden bereits von der neuen Geschäftsführung intern neu geregelt und werden auch von der Geschäftsführung an alle betroffenen Kunden kommuniziert. Insofern bist Du mit sofortiger Wirkung für kein Projekt mehr verantwortlich.

2. Sämtliche Kommunikation Deinerseits zu laufenden Projekten und den aktuellen Entwicklungen bei G T vor allem mit Kunden und Dienstleistern, aber auch mit freien und festen Mitarbeitern d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge