Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. Regelfrist für Anhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Für die Anhörung des Kündigungsgegners gilt eine Regelfrist von einer Woche.

2. Für die Einräumung einer Zweiwochenfrist fehlt ein verständiger Grund, wenn der Kündigungsgegner zur Verfügung steht und nicht an einer kurzfristigen Stellungnahme verhindert ist.

 

Normenkette

BAT § 54 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 28.09.1994; Aktenzeichen 20 Ca 9868/93)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 28.09.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 20 Ca 9868/93 – wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 04.11.1993 aufgelöst worden ist.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der 52 Jahre alte Kläger wurde mit Wirkung ab September 1991 als Lehrer für die Fächer Deutsch, Sport und Sozialkunde bei dem beklagten Land eingestellt. Seit dem Schuljahr 1992/93 war er an der Gesamtschule G./D. tätig, wo er in verschiedenen Klassen unter anderem den Sportunterricht erteilte. Sein Gehalt betrug zuletzt ca. 5.000,00 DM brutto monatlich.

Vor Beginn seines Unterrichts am 05.10.1993 wurde der Kläger seitens der Schulleitung „grob” über Vorwürfe informiert, die sich auf „Berichte” eines Teils der Schülerinnen und Schüler der Klasse 6.6 über sexuelle Belästigung und Gewaltanwendung im Sportunterricht stützten. Ihm wurde mitgeteilt, daß der Regierungspräsident K. – die Ermittlungen führen werde; bis zur Klärung der Angelegenheit sei er auf Anordnung der Schulaufsicht vom Unterricht freigestellt.

Unter dem 12.10.1993 schrieb der Regierungspräsident K. mit Hinweis auf die beigefügten „Schüleraussagen” an den Kläger, daß er die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 54 BAT erwägen müsse. Er gab dem Kläger Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen schriftlich zu den Vorgängen zu äußern. Die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers gefertigte Stellungnahme, ging am 22.10.1993 bei dem Regierungspräsidenten ein. Bereits zuvor hatte der Kläger selbst mit einem Schreiben vom 20.10.1993 die Vorwürfe zurückgewiesen und darum gebeten, möglichst schnell eine „objektive und gründliche Befragung” der Kinder durchzuführen. Diese Anregung wurde nicht aufgegriffen.

Vielmehr hörte der Regierungspräsident K. mit Schreiben vom 28.10.1993 den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 03.11.1993 machte der Personalrat den Regierungspräsidenten unter anderem darauf aufmerksam, daß es von 29 Schülerinnen und Schülern der Klasse 17 Äußerungen zu den angeblichen Vorfällen gebe. Andere – eventuell entlastende – Stellungnahmen seien nicht vorgelegt worden. Auch seien die Eltern zu den Vorfällen nicht befragt worden. Der Personalrat forderte den Regierungspräsidenten abschließend auf, vor einer entsprechenden Maßnahme zunächst den Sachverhalt gründlich zu prüfen.

Mit Schreiben vom 04.11.1993 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund (§ 54 BAT).

Dagegen hat der Kläger noch am selben Tag Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Er hat die Kündigung schon deshalb für unwirksam gehalten, weil die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Im übrigen liege auch kein wichtiger Grund vor, weil die Vorwürfe unzutreffend seien.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 04.11.1993 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat behauptet, der Kläger habe ausweislich der schriftlichen Äußerungen der Schülerinnen und Schüler der Klasse 6.6 der Gesamtschule G eine Vielzahl von sexuellen Belästigunshandlungen begangen. Hinsichtlich der Verhaltensweise des Klägers sei festzustellen, daß es sich nicht um einmalige, möglicherweise „harmlos” auszulegende Vorkommnisse handele. Vielmehr stehe nach den Aussagen der Schülerinnen und Schüler fest, daß das Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Fällen die Intimsspähre der betroffenen Schülerinnen und Schüler nachhaltig verletzt habe. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung sei daher nicht mehr erforderlich gewesen. Wegen der Besonderheiten des Verhaltens des Klägers hat das beklagte Land es für erforderlich gehalten, zum Zwecke der Beweiserhebung die gesamte Schülerschaft der Klasse 6.6 als Zeugen zu vernehmen.

Mit Urteil vom 28.09.1994 h...

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