Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsanhörung. Sozialauswahl. Vorbeschfätigungszeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Betriebsrat ist die Kenntnis eines „einfachen” Betriebsratsmitglieds zuzurechnen, der für den Betriebsrat an der Kündigungsverhandlung vor der Hauptfürsorgestelle teilnahm.

2. Bei der Sozialauswahl sind für die Dauer der Betriebszugehörigkeit vertraglich vereinbarte Vorbeschäftigungszeiten bei einem konzernzugehörigen Unternehmen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BetrVG § 102; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 04.12.1997; Aktenzeichen 1 Ca 235/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 04.12.1997 – 1 Ca 235/97 – abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der am 10.07.1954 geborene Kläger wurde im März 1981 von der Beklagten als Bergmann eingestellt und arbeitete bis 1985 unter Tage. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er in der Folgezeit im handwerklichen Bereich über Tage und zuletzt als Hilfsarbeiter in der Registratur eingesetzt. Der Kläger verdiente monatlich 2.600,00 DM brutto. Daneben erhält er eine Berufsunfähigkeitsrente. Er hat als Schwerbehinderter einen GdB von 90 %.

Nach vorangegangenem Interessenausgleich und Sozialplan stellte die Beklagte ihre Steinkohleförderung Ende März 1997 ein und legte ihr Bergwerk zum 30.06.1997 still. Seitdem werden nur noch Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Am 06.09.1996 fand eine Klausurtagung der Personalabteilung der Beklagten mit dem gesamten Betriebsrat statt, in der die Personalplanung für die Abschlußarbeiten ab der 2. Jahreshälfte 1997 besprochen wurde. In einer Sitzung am 05.11.1996 mit der Betriebsleitung, Personalabteilung und dem Betriebsrat wurden in einer Auflistung die für die Abschlußarbeiten ab dem 01.07.1997 benötigten Mitarbeiter festgelegt (Bl. 110 – 132 d. A.). In ihr ist für die Abteilung Einkauf/Magazin/Registratur der Mitarbeiter Schmitz, nicht aber der Kläger genannt.

Am 29.11.1996 fand über den Antrag der Beklagten auf Zustimmung zur Kündigung des schwerbehinderten Klägers beim Landschaftsverband Rheinland eine Kündigungsverhandlung statt, an der neben dem Kläger und dessen Anwalt unter anderem der Leiter der Personalabteilung der Beklagten Rosen, der Vertrauensmann der Schwerbehinderten Reiners und für den Betriebsrat das Betriebsratsmitglied Küsters teilnahmen. Der Personalleiter Rosen teilte ausweislich des Protokolls über die Kündigungsverhandlung (Bl. 135 d. A.) mit, daß die Registratur zwar weiterlaufe, die Arbeitsstelle des Klägers aber nach dem 30.06.1997 wegfallen werde; der Mitarbeiter Schmitz werde die Arbeiten weiterführen, zumal dieser eine kaufmännische Ausbildung habe und somit auch andere Tätigkeiten in der Abteilung Einkauf ausüben könne.

Mit jeweiligen Schreiben vom 17.12.1996 teilten der Vertrauensmann der Schwerbehinderten und der Betriebsratsvorsitzende unter Bezugnahme auf die Kündigungsverhandlung vom 29.11.1996 mit, daß der Kläger als Bezieher einer Berufsunfähigkeitsrente und über den Sozialplan sozial abgesichert sei und gegen die Kündigung kein Einspruch erhoben werde.

Mit Bescheid vom 20.02.1997 erteilte die Hauptfürsorgestelle beim Landschaftsverband Rheinland die Zustimmung zur Kündigung des Klägers. Der Zustimmungsbescheid ist rechtskräftig.

Nach Anhörung des Betriebsrats am 04.03.1997 (Bl. 26-27 d. A.), der zu der beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme mehr abgab, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.03.1997 fristgerecht zum 30.09.1997.

Der Kläger hat mit seiner am 21.03.1997 eingereichten Kündigungsschutzklage die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Außerdem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 18.03.1997 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß und die Kündigung wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sozial gerechtfertigt. Die restlichen Arbeiten in der Registratur würden von dem Mitarbeiter Schmitz miterledigt, der als ausgebildeter Industriekaufmann auch mit anderen Arbeiten in der Abteilung Einkauf betraut werden könne, für die der Kläger nicht geeignet sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 145 d. A.) wird verwiesen. Gegen das der Beklagten am 20.04.1998 zugestellte Urteil hat sie am 14.05.1998 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie beanstandet, ihr Vortrag zur Anhörung des Betriebsrats, dem die Kündigungsgründe im übrigen auch bekannt gewesen seien, sei vom Arbeitsgericht nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der Sache sei die Kündigung gerechtfertigt. De...

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