Rechtsmittel zugelassen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur fristlosen Kündigung eines Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bei Speicherung und Verbreitung sexistischer und rassistischer Witze

 

Normenkette

BAT §§ 8, 54 I

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 15.04.1998; Aktenzeichen 20 Ca 288/98)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.04.1998 – 20 Ca 288/98 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, daß die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.12.1997 unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den Bedingungen ihres Arbeitsvertrages vom 06.09.1983 als Angestellte im Materialamt der Luftwaffe bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Die am 31.10.1960 geborene Klägerin war seit dem 16.09.1983 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war als Disponentin beim Materialamt der Luftwaffe in der Standortverwaltung Wahn eingesetzt.

Der Arbeitsplatz der Klägerin ist an ein zentrales EDV-Netz angeschlossen. Zum Kommunikationssystem gehört eine sogenannte MEMO-Box, in der die Klägerin zugeleitete Informationen speichern konnte. Sie speicherte dort eine ihr im Juli 1996 von einer Arbeitskollegin zugeleitete Witzesammlung ab, die 32 Blatt umfaßte; wegen des Inhaltes dieser Sammlung wird auf Blatt 36–67 der Akten Bezug genommen.

Die Klägerin übermittelte diese Witzesammlung am 26.11.1997 an den Hauptfeldwebel K in Neuburg und in der gleichen Woche noch an einen anderen Beschäftigten eines anderen Materialamtes. Nach Kenntnisnahme ihrer Vorgesetzten am 03.12.1997 wurde die Klägerin am 09.12.1997 gehört und mit Schreiben vom 22.12.1997 fristlos gekündigt. Die Beklagte stützt diese Kündigung darauf, daß der „Witzekatalog” die Menschenwürde verletzende, rassistische, nazistische, sexistische, gewaltverherrlichende und die Menschenwürde verachtende „Witze” enthalte; es bestehe der dringende Tatverdacht, von Straftaten wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften nach § 166, Abs. 2 StGB, Gewaltdarstellung im Sinne des § 131, Abs. 1 Nr. 1 StGB und Volksverhetzung gem. § 130, Abs. 2 Nr. 1 a StGB, was zu einer Störung des öffentlichen Friedens geführt und ihr, der Beklagten, Ansehen geschädigt habe.

Mit der am 12.01.1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung, da ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Sie hat im wesentlichen eingewandt, sie habe den Inhalt der Sammlung nicht in vollem Umfange zur Kenntnis genommen, insbesondere nicht den Teil, in dem sich ausländerfeindliche und rassistische Witze befunden hätten.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22. Dezember 1997 unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den Bedingungen ihres Arbeitsvertrages vom 16. September 1983 als Angestellte im Materialamt der Luftwaffe bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den mit Schriftsatz vom 09. Januar 1998 gestellten Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klägerin habe den Tatbestand der Volksverhetzung verwirklicht. Ihre Einlassung, sie habe keine volle Kenntnis des „Witzekataloges” gehabt, sei nicht glaubwürdig.

Durch Urteil vom 15.04.1998 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt. Durch den Verdacht, die Klägerin billige den Inhalt der „Witzesammlung”, sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien so schwer beschädigt worden, daß der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden könne. Dieser Verdacht ergebe sich daraus, daß die Klägerin die Sammlung, statt sie sofort zu löschen, über ein Jahr in ihrer MEMO-Box gespeichert und an andere Mitarbeiter weitergeleitet habe. Die Klägerin habe zwar behauptet, sie habe allenfalls die ersten 10 Seiten zur Kenntnis genommen und daher nicht gewußt, daß die Sammlung auch ausländerfeindliche und menschenverachtende Witze enthalte, damit habe die Klägerin den Verdacht jedoch nicht widerlegt. Vor Ausspruch der Kündigung habe es einer Abmahnung nicht bedurft; denn eine Abmahnung sei bei einer Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses nur dann erforderlich, wenn damit gerechnet werden könne, in Zukunft werde das Vertrauensverhältnis wieder hergestellt. Hier sei das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört.

Wegen des weiteren Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 114–120 der Akte bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 03.06.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.07.1998 Berufung eingelegt und diese am 0...

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