Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung einer Widerklage im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht. Zeitraum zur Einarbeitung. Arbeitsvertragliche Ausschlussklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1) Zur Zulässigkeit der Erhebung einer Widerklage im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht.

2) Bei einem arbeitsrechtlichen Berufungsrechtsstreit mittlerer Komplexität und Schwierigkeit ist ein Zeitraum von 10 bis 12 Kalendertagen zur Einarbeitung eines neuen Prozessbevollmächtigten in den Sach- und Streitstand in der Regel als ausreichend anzusehen.

3) Eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel, welche vorsieht, dass "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, spätestens innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses" schriftlich geltend zu machen sind, ist in ihrem zweiten Teil unwirksam, soweit sie unabhängig von der Fälligkeit nur auf die Vertragsbeendigung abstellt (BAG vom 01.03.2006, 5 AZR 511/05). Die Klausel ist jedoch im Sinne des blue-pencil-Tests teilbar, so dass der erste Teil wirksam bleibt.

 

Normenkette

BGB § 306 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1, § 626 Abs. 1; ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1, Abs. 8, § 67 Abs. 4 Sätze 1-2; ZPO § 138 Abs. 1-2, §§ 149, 227, 529 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 11.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1012/12 G)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.12.2012 in Sachen4 Ca 1012/12 G teilweise abgeändert:

Ziffer 2) des Urteilstenors wird wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger folgende Beträge zu zahlen:

  • a)

    Restgehalt für Februar 2012 in Höhe von 4.633, 50 € brutto abzüglich gezahlter 694,65 € netto, zuzüglich Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 07.03.2012;

  • b)

    Restgehalt für März 2012 in Höhe von 304, 90 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.04.2012;

  • c)

    Gehalt für April 2012 in Höhe von4.633, 50 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 21.05.2012;

  • d)

    Gehalt für Mai 2012 in Höhe von4.633, 50 € brutto sowie weitere 258,- € als Entschädigung für die vorzeitige Rückgabe des Dienstwagens, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 31.05.2012;

  • e)

    1.910,- € brutto als anteiliges 13.Gehalt für das Jahr 2012 nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 30.06.2012;

  • f)

    2.116, 38 € brutto als Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 31.05.2012.

Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten einschließlich der

Widerklage vom 12.06.2013 zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Ziffer 1 des Urteilstenors wird klarstellend wie folgt neu

gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis

der Parteien nicht aufgrund der Kündigung der

Beklagten vom 23.03.2012 beendet worden ist,

sondern bis zum 31.05 2012 fortbestanden hat.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/4 und die

Beklagte zu 3/4 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 23.03.2012 und hiervon abhängige Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit bis 31. Mai 2012, um einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung und ein anteiliges 13. Gehalt für 2012 sowie um Forderungen des Klägers auf rückwirkende Restzahlungen auf ein jährliches 13. Gehalt seit 2009. Außerdem hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Widerklage auf Auskunft und Schadensersatz erhoben.

Der am 1965 geborene Kläger begründete durch Arbeitsvertrag vom 09.11./24.11.2006 (Bl. 56 ff. d. A.) mit Wirkung zum 02.01.2007 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst. Die monatliche Bruttovergütung betrug zunächst 3.800,00 € und erhöhte sich mit geändertem Anstellungsvertrag vom 21.03.2007 (Bl. 65 ff. d. A.) ab dem 01.04.2007 auf 4.300,00 € brutto. Mit persönlichem Anschreiben an den Kläger erhöhte die Beklagte dessen Gehalt ab dem 01.01.2011 auf 4.500,00 € pro Monat sowie die bis dahin gezahlten vermögenswirksamen Leistungen von 28,00 € pro Monat auf dann 48,00 € pro Monat (Bl. 129 d.A.). Mit Anschreiben an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Unternehmens erfolgte sodann zum 01.02.2012 eine weitere Lohnerhöhung von 1,9 % (Bl. 130 d.A.). Die Lohnerhöhungen zum 01.01.2011 und 01.02.2012 hatte die Beklagte anfänglich ausdrücklich bestritten. Sie sind erst nach Vorlage der entsprechenden Originalurkunden durch den Kläger im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Siegburg vom 11.09.2012 unstreitig geworden.

Dem Kläger, der seine Tätigkeit von einem Home-Office aus verrichtete, stand außerdem ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte und welcher nach der sogenannten 1 %-Regelung mit ...

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