Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht eines Arbeitnehmers zur Befolgung einer Versetzungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Arbeitnehmer ist es in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers ist lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes anzuerkennen (wie LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 2014 - 5 SaGa 13/13 -, Rn. 26, [...]).

Eine Versetzung ist wegen fehlender vorheriger Beteiligung des tatsächlich zuständigen Betriebsrats jedenfalls dann nicht offensichtlich rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber vor der Versetzung einen Betriebsrat als abgebenden Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 Satz 1, 4. Var. BetrVG ("Versetzung") beteiligt hat, für dessen Zuständigkeit nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.

Da selbst den betroffenen Betriebsräten keine Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes wegen - vermeintlicher - Verletzungen ihrer Mitbestimmungsrechte gem. §§ 99 - 101 BetrVG zustehen (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Juni 2009 - 1 ABR 23/08 -, Rn. 22, [...]), kann ein betroffener Arbeitnehmer, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber vor der Maßnahme die Zustimmung des Betriebsrats beantragt und im Fall der Ablehnung gem. § 99 Abs. 4 BetrVG die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragt hat und er zudem unter Beachtung der zeitlichen Vorgaben des § 100 Abs. 2 BetrVG einen Antrag gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gestellt hat, die offensichtliche Rechtswidrigkeit einer Versetzung nicht auf Fehler im Beteiligungsverfahren nach §§ 99, 100 BetrVG stützen.

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99, 100 BetrVG dienen vor allem der kollektiven Interessenwahrnehmung (BAG, Beschluss vom 22. April 1997 - 1 ABR 84/96 -, Rn. 24, [...]) und nicht primär dem Individualschutz.

 

Normenkette

GewO § 106 S. 1; BetrVG §§ 99-100

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.01.2017; Aktenzeichen 6 Ga 52/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2017- 6 Ga 52/16 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungskläger.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Versetzung.

Der am .1965 geborene, seiner geschiedenen Frau und einem 16jährigen Sohn zum Unterhalt verpflichtete Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) ist seit dem 01.09.1982 bei der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) durchgängig am Standort Bonn beschäftigt. Maßgeblich für die Beschäftigung ist seit dem 01.01.2001 der außertarifliche Anstellungsvertrag vom 25.06.2001. § 2 Abs. 2 dieses Vertrages lautet wie folgt:

"Aufgaben, Tätigkeiten und Ressortzuständigkeiten werden im Einzelnen durch die Gesellschaft bestimmt. Die Gesellschaft ist berechtigt, Sie innerhalb der Gesellschaft und in Unternehmen, die mit der Gesellschaft wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sind, auch an einem anderen Ort einzusetzen oder Ihnen eine andere oder zusätzliche Tätigkeit zu übertragen, die Ihrer Eignung und Ihren Fähigkeiten entspricht. Sie erklären sich deshalb bereit, auf Wunsch der Gesellschaft hin auch eine andere, Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, ggf. auch unter Veränderung des Beschäftigungsortes, zu übernehmen. Ein Auslandseinsatz soll nur in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen. Soweit Sie Arbeiten für Unternehmen übernehmen, die mit der Gesellschaft wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sind, wird hierfür eine besondere Vergütung nicht gezahlt."

Seit dem Jahr 2001 war der Kläger - jedenfalls bis November 2012 - durchgehend auf Positionen eingesetzt, die dem Betrieb "Group Headquarters" (abgekürzt GHQ) zugeordnet waren. Der Kläger ist der höchsten außertariflichen Gehaltsgruppe, AT 4, zugeordnet. Seine Jahresbruttovergütung beträgt etwa 117.000 EUR.

Unter dem 09.08.2012 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat mit Wirkung zum 01.01.2013 eine Vereinbarung "über den Interessenausgleich und Sozialplan gemäß §§ 111/112 BetrVG zur Umsetzung der Maßnahme 'Shape Headquarters'" (vgl. Blatt 59 ff. GA; im Folgenden: IA), auf die Bezug genommen wird. Gemäß § 3 Ziff. 7 IA sind Beschäftigte, die nach Durchführung des Personalisierungsverfahrens für die Betriebe GHQ und COM keine Stelle erhalten haben, einer gesonderten Organisationseinheit zugehörig. Innerhalb dieser Organisationseinheit werden Projekteinsätze und Qualifizierungsmaßnahmen geleistet. Ziel der Organisationseinheit ist es, die Beschäftigten bei der Suche nach anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern "D T " und außerhalb dieses Konzerns zu unterstützen. Bei der Beklagten besteht ein Zuordnungstarifvertrag von 01.04.2016, Anlage B3, Bl. 118 ff GA, auf den Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 29.11.2012 tei...

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