Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichstellungsabrede. Betriebsvereinbarung. Vertrauensschutz. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Betriebsvereinbarung ist im Zweifel so auszulegen, dass sie nicht gegen einen konkurrierenden Tarifvertrag verstößt (§ 77 Abs. 3 BetrVG).

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen 1 Ca 1581/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.08.2009 – 1 Ca 1581/09 – abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Anders als noch in erster Instanz vorgetragen, schlossen die Parteien nicht den ab Bl. 13 ff. d. A. wiedergegebenen Änderungsvertrag vom 12.12.2003. Dieser bezieht sich vielmehr auf Herrn H, C 2, 5 G. Der tatsächlich zwischen den Parteien am 12.12.2003 zustande gekommene Änderungsvertrag befindet sich auf Bl. 127 d. A. und betrifft den Kläger dieses Verfahrens. Danach ist im ersten Absatz auf Seite 2 des Änderungsvertrages Folgendes vereinbart:

„Ferner erfolgt bei den außertariflichen Angestellten im Jahr 2005 eine um 2,5 Prozentpunkte geminderte Gehaltsanpassung, gemessen an der Höhe der Tariflohnerhöhung in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie.”

Mit Wirkung zum 01.05.2009 vereinbarten die Parteien ein beziffertes Tarifgehalt laut Haustarifvertrag.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger die Zahlungsforderung zugesprochen unter Berücksichtigung des fehlerhaften Vertragstextes.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.08.2009 – 1 Ca 1581/09 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes insbesondere der zur Akte gereichten Urkunden wird auf deren Inhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt für den geltend gemachten Zeitraum eine Vergütung nach den aktuellen Tariflohnsätzen des Flächentarifvertrags der IG Metall NRW zu.

Ein solcher Anspruch besteht zunächst nicht aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit. Zwar ist der Kläger Gewerkschaftsmitglied. Die Beklagte ist jedoch aus dem Arbeitgeberverband Ende 2003 ausgetreten. Die Leistungen nach dem zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft abgeschlossenen Firmentarifvertrag hat der Kläger erhalten.

Dem Kläger steht auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Vergütung nach dem Flächentarifvertrag zu. Zwar heißt es in dem am 17.12.2001 zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag, dass die jeweils geltenden Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW Inhalt dieses Anstellungsvertrages sind. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Vertragsklausel, die vor im 01.01.2002 und damit vor der BGB-Schuldrechtsreform abgeschlossen wurde. Für diese Klauseln hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass es bei der bisherigen Auslegungsregel bleibt, dass hierdurch lediglich die Gleichbehandlung und die Gleichstellung von nichtgewerkschaftsgebundenen Arbeitnehmern mit Gewerkschaftsmitgliedern bewirkt werden soll (vergl. BAG v. 18.04.2007, AZ 4 AZR 652/05). Die Tarifdynamik ist deshalb in diesem Fall dadurch begrenzt, dass der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist und bleibt. Nach dem Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband zum Ende 2003 endet letztlich auch die Dynamik der Gleichstellungsabrede. Aufgrund der gefestigten und mehrfach vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Rechtsansicht, wonach hinsichtlich dieses Auslegungsergebnisses Bestandsschutz für Verträge gegeben ist, die vor Inkrafttreten der BGB Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen wurden, schließt sich auch das erkennende Landesarbeitsgericht dieser Rechtsprechung an. Damit ergibt sich aus dem am 17.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag kein Anspruch des Klägers auf dynamische Weitergabe der im Flächentarifvertrag NRW vereinbarten Vergütung für die Zeit nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers.

Auch aus dem Änderungsvertrag vom 12.12.2003 ergibt sich ein arbeitsvertraglicher Anspruch des Klägers, ab Juli 2008 tarifvertragliche Vergütung entsprechend dem Flächentarifvertrag der IG Metall in NRW zu erhalten, nicht. In diesem Vertrag hat der Kläger sich ausdrücklich mit einer im Jahr 2005 um 2,5 Prozentpunkte geminderten Gehaltsanpassung einverstanden erklärt. Eine Vereinbarung, die geminderte Gehaltsanpassung aus dem Jahr 2005 nach Ablauf der Wirkungsdauer der Vertragsänderung bzw. des Futura-Beschäftigungsbündnisses wieder anzuheben, findet sich weder in diesem Änderungsvertrag noch in der Betriebsvereinbarung F-Beschäftigungsbündnis vom 18.12.2003. Während dem Änderungsvertrag vom 12.12.2003 durch Auslegung entnommen werden kann, dass die vereinbarte Gehaltsabsenkung von 2 Prozen...

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