Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebliche Übung. Gleichbehandlungsgrundsatz. Direktionsrecht. öffentlicher Dienst außenpolitische Rücksichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Außenpolitische Rücksichten der BRD können für sie als Arbeitgeberin einen sachlichen Grund darstellen, der eine Ungleichbehandlung bei der Vergabe von Vergünstigungen rechtfertigt; deshalb kann der Ausschluß eines Referenten in der dem Bundesinnenminister unterstellten Bundeszentrale für politische Bildung von der Leitung einer der regelmäßig durchgeführten Bildungsreisen nach Israel zulässig sein, der sich – wenn auch außerdienstlich – öffentlich und wiederholt kritisch zu der Politik der derzeitigen israelitischen Regierung gegenüber den Palästinensern geäußert hat und im Gastland als Vertreter dieser Position bekannt ist. Solche Rücksichten können auch der Annahme unbilligen Ermessens (§ 315 BGB) bei der Ausübung des Direktionsrechts entgegenstehen.

2. In diesem Fall liegt in der Benachteiligung auch kein unzulässiger Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit vor.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 315; GG Art. 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 28.08.1997; Aktenzeichen 3 Ca 1217/97)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.10.1998; Aktenzeichen 9 AZN 575/98)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.08.1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 3 Ca 1217/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: unverändert.

 

Tatbestand

(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

Beklagt ist die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger ist für sie in der dem Bundesinnenminister unterstellten Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), einer nicht rechtsfähigen Bundesanstalt mit dem Ziel der überparteilichen politischen Bildungsarbeit, als Referent tätig. Für die Zeit vom 17. bis 31.05.1997 hatte die BpB die Durchführung einer Bildungsreise („Spezialreise”) für Journalisten nach Israel vorgesehen und den Kläger als Reiseleiter vorgeschlagen. Wegen dessen geplanten Einsatzes befürwortete der Bundesinnenminister am 27.02.1991 die Reise nicht, hatte aber keine Bedenken, den Kläger als „Teilnehmer außerhalb einer Leitungsfunktion und deren Stellvertretung” vorzusehen. Hintergrund der ablehnenden Haltung war, daß der Kläger sich in seinen nebenberuflichen Aktivitäten als freier Journalist literarisch und als Vortragender kritisch mit der Politik und den Aktivitäten der derzeitigen israelitischen Regierung und ihrer Administration insbesondere gegenüber den Palästinensern auseinandergesetzt hat. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte ihre Ablehnung „ordnungsgemäß zu begründen”, hilfsweise zurückzunehmen hat und ihm künftig Teilnahme und Reiseleitung genehmigen muß.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter und behauptet, die Beklagte habe zumindest seit 1986 alle Referenten im Rotationsprinzip als Reiseleiter eingesetzt, so daß eine betriebliche Übung und ein Recht auf Gleichbehandlung entstanden sei. Sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausschließlich im außerdienstlichen Bereich dürfe die Beklagte nicht durch Sanktionen beschränken. Das Verhältnis zu Israel werde durch seine Person nicht gefährdet, wie seine guten Beziehungen zu bedeutenden israelitischen Persönlichkeiten zeigten. Die Pflicht der Beklagten zur Begründung ihrer Maßnahmen folge aus allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach den Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung und bezweifelt ein Rechtsschutzinteresse für die Klage. Sie halte den Kläger nicht generell für ungeeignet, Reiseleitungen der fraglichen Art zu übernehmen, vielmehr würden künftige Fälle von Fall zu Fall entschieden. Das vom Kläger behauptete Rotationsprinzip gebe es nicht. Die Kritik des Klägers an den Zuständen in Israel werde dort aufmerksam verfolgt; sie, die Beklagte, habe nicht ausschließen können, daß in der dortigen Bevölkerung der Eindruck entstehen könnte, diese Kritik werde in ihrem Namen geäußert oder zumindest von ihr gebilligt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet:

I. Allerdings ist mit dem Arbeitsgericht die Zulässigkeit der Klage anzunehmen: Wenn die Beklagte, wie der Kläger meint, verpflichtet ist, seine Reiseleitungen und -teilnahmen zu genehmigen, hat er auch ein Interesse an der entsprechenden Feststellung; denn die Beklagte leugnet eine solche Verpflichtung – und zwar auch im vorliegenden Rechtsstreit: Sie will die Frage künftig von Fall zu Fall entscheiden. Dann aber klärt die erstrebte Feststellung eine Kontroverse der Parteien über den Umfang de...

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