Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenkündigung. Verlassen des Arbeitsplatzes. Auslegung des Verhaltens

 

Leitsatz (amtlich)

Das Verlassen des Arbeitsplatzes kann i.d.R. nicht als Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer ausgelegt werden, insbesondere dann nicht, wenn es den Abschluß einer Auseinandersetzung zwischen den Arbeitsvertragsparteien bildet – auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber im vorhinein erklärt hat, solches Verhalten werde als fristlose Kündigung aufgefaßt.

 

Normenkette

BGB § 133

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 15.06.1994; Aktenzeichen 3 Ca 1099/94)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.06.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 3 Ca 1099/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: 6.000,– DM.

 

Gründe

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Die zulässige Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht, zu Recht stattgegeben: Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht in der Tat fort, weil ein wirksamer Beendigungstatbestand nicht ersichtlich ist.

In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

Das Arbeitsgericht ist mit seinem Tenor nicht über die Anträge des Klägers hinausgegangen. Keineswegs hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses nur im Zusammenhang mit einer Arbeitgeber-Kündigung festgestellt wissen wollen. Ein Feststellungsantrag der vorliegenden Art („…, sondern fortbesteht”) enthält in Wahrheit zwei selbständige Anträge: 1. den von § 4 KSchG vorgeschriebenen Antrag, daß eine bestimmte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat; 2. den allgemeinen von § 256 ZPO zugelassenen Feststellungsantrag, daß auch sonstige Gründe nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben. Die Verknüpfung dieser beiden Anträge ist zulässig (KR Friedrich, 3. Aufl., § 4 KSchG Rdn. 234 = „erweiterte Feststellungsklage”). Zwar ist für diesen zweiten Antrag ein besonderes Feststellungsinteresse zu fordern; das liegt aber immer dann vor, wenn sich der Arbeitgeber der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen berühmt, indem, er andere Beendigungstatbestände für sich in Anspruch nimmt. So liegt es hier, weil der Beklagte Beendigung durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers geltend macht.

Das Arbeitsgericht hat dem allgemeinen Feststellungsantrag zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch eine Eigenkündigung des Klägers beendet worden; eine solche hat der Kläger nicht ausgesprochen:

In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

Unstreitig hat der Kläger weder das Wort Kündigung noch ein sinnverwandtes Wort benutzt oder eine entsprechende Formulierung gebraucht. Zwar können Willenserklärungen – und damit u.a. Kündigungen – auch stillschweigen durch beredtes Verhalten abgegeben werden. Hierzu gehört jedoch nicht das hier in Rede stehende vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes. Das trotz Abmahnung wiederholte vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes kann nämlich nach einhelliger Meinung Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber sein; die Erörterung in Rechtsprechung und Literatur unter diesem Aspekt wäre völlig überflüssig, wenn es einer Arbeitgeberkündigung gar nicht bedürfte, weil zuvor schon der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch Verlassen des Arbeitsplatzes beendet hätte.

Das Gesagte gilt erst recht, wenn das Verlassen des Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer den Abschluß einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber bildet. In einem solchen Fall kann und darf der Arbeitgeber das Verhalten nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht als Kundgabe des Willens verstehen, das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung zu beenden – noch dazu fristlos. Denn für jeden erkennbar ist hier das Motiv, sich einer als unerfreulich empfundenen Situation zu entziehen. Da dieses Motiv das Verhalten zwanglos und vollständig erklärt, bleibt kein Raum, nach weiteren Absichten zu forschen – etwa nach der Absicht, hierdurch eine Erklärung abzugeben, durch die das gesamte Arbeitsverhältnis beendet werden soll (Rechtsfolgewille). Eine Eigenkündigung ist zudem mit solchen Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden, daß ihm ein dahin zielender Wille nicht unterstellt werden kann, solange sein Verhalten einen anderen Inhalt haben und dieser durch einleuchtende Motive seine näher liegende Erklärung finden kann, wie es hier der Fall ist.

An diesem Ergebnis ändert auch nichts die bestrittene Behauptung des Beklagten, er habe dem Kläger vor Verlassen des Arbeitsplatzes erklärt, solches Verhalten als fristlose Kündigun...

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