Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Massearmut. Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Insolvenzverwalter einen Betrieb vollständig zerschlagen und stillgelegt, so führt eine „Rekonstruktion” des Betriebs durch Erwerb der Betriebsmittel von Dritten durch neuen „Betriebsinhaber” nicht zu einem Betriebsübergang.

 

Normenkette

KSchG § 1; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 22.09.2004; Aktenzeichen 5 Ca 1171/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 5 Ca 1171/03 – vom 22.09.2004 wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision für den Kläger wird gegen die Beklagte zu 2. zugelassen. Gegen die Beklagte zu 1. wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 17.03.2003, einer Kündigung des Insolvenzverwalters, des Beklagten zu 1) vom 17.04.2003, um die Frage ob das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist und deshalb diese verpflichtet ist den Kläger zu beschäftigen, um Vergütungsansprüche für die Zeit ab Massearmut sowie über einen Wiedereinstellungsanspruch.

Der Kläger, geboren im Jahr 1955, war bei der Gemeinschuldnerin seit dem 02.11.1979 als Auslieferungsfahrer zu einer Bruttovergütung von 11.04 EUR/Stunde zuzüglich Prämienund Überstundenzuschlägen beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin betrieb einen Möbeleinzelhandel in denselben Räumen, in denen sich nun der Betrieb der Beklagten zu 2) befindet. Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war A Eigentümer des Betriebsgrundstücks war P. Das Grundstück haftete der F H als Sicherheit für Betriebskredite. Die Gemeinschuldnerin hatte zum Zeitpunkt der Kündigung ca. 20 Mitarbeiter. Die Möbel wurden im wesentlichen über eine Möbeleinkaufsgenossenschaft bei Herstellern geordert. Es wurde ein Vollsortiment vorgehalten, wobei für den Kunden die Möglichkeit bestand, auch Ware zu kaufen, welche nicht vorrätig und nicht im Eigentum der Geschäftsinhaberin war, sondern erst beim Hersteller geordert werden musste. Regelmäßig wurden die Möbel durch die Gemeinschuldnerin ausgeliefert und aufgebaut. Daneben gab es aber auch bereits einen Bereich für Mitnahmemöbel.

Ende des Jahres 2002 geriet der Betrieb der Gemeinschuldnerin in finanzielle Schwierigkeiten. Der Geschäftsführer entschloss sich im Januar 2003 einen Ausverkauf durchzuführen. Dabei bediente er sich der Firma S des Einzelkaufmanns W. Der Ausverkauf endete am 09.02.2003. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch nicht sämtliche Möbel abverkauft worden. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen war der weitere Verkauf nach diesem Zeitpunkt unzulässig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Geschäftsräume danach tatsächlich für das Publikum geschlossen waren, ob und in welchem Umfang danach mit Wissen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin noch neue Verkäufe getätigt wurden.

Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin stellte nach Ende des Ausverkaufs Insolvenzantrag und kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 17.03.2003, zugegangen am 25.03.2003 zum 30.09.2003. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 10.04.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Am 15.04.2003 wurde die Insolvenz eröffnet. Das Verfahren war bereits mit Eröffnung massearm.

Bis zur Insolvenzeröffnung waren unstreitig noch Auslieferungen von bereits zuvor gekauften Möbeln durchgeführt worden. Auch wurde noch eine Inventarliste erstellt. Ab etwa Mitte April war der Betrieb vollständig eingestellt. Am 17.04.2003 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit der Kündigungsfrist aus § 113 S. 2 InsO zum 31.07.2003. Mit Eingang bei Gericht am 25.04.2003 nahm der Kläger das Verfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter dem Beklagten zu 1) auf und griff auch dessen Kündigung an.

Der Insolvenzverwalter begründet die Kündigung damit, dass ebenso wie schon in der Kündigung der Gemeinschuldnerin zum Ausdruck gekommen, der Betrieb stillgelegt und aufgelöst werde. Er hat am 23.04.2003 die restlichen Möbel an den Einzelkaufmann K, der bereits den Ausverkauf durchgeführt hatte, veräußert. Das Betriebsgrundstück wurde nach Auflösung des Pachtvertrages an den Eigentümer, den Bruder des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin zurückgegeben. Auf Betreiben und mit Zustimmung der F wurde das Grundstück sodann von der Beklagten zu 2), die zwischenzeitlich von dem Einzelkaufmann K gegründet worden war und deren Geschäftsführer er nunmehr ist, angepachtet. Etwa Mitte Mai eröffnete die Beklagte zu 2) in den angepachteten Betriebsräumen wiederum einen Möbeleinzelhandel. Sie beschäftigte zunächst 10 Mitarbeiter, davon nach Vortrag des Klägers wenigstens 3 von ursprünglich ca. 20 Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin, nach Vortrag der Beklagten 6 dieser Mitarbeiter.

Die Beklagte zu 2) nutzte zumindest ca. einen Monat lang eines der früheren Betriebsfahrzeuge. Sie hatte zu Beginn der Geschäftstätigkeit nicht dieselben Öffnungszeiten wie die Gemeinschuldnerin sondern war im wesentlichen nur nachmittags und ...

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