Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausnahme vom Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage. Begriffsbedeutung der "Bewirtung" i.S.v. § 1 Nr. 1.2 MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW. Keine "Bewirtung" bei fehlender Verzehrmöglichkeit. Merkmale der Catering-Gastronomie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff der Bewirtung i.S.v. § 1 Nr. 1.2 MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW erfordert zumindest die Möglichkeit eines Verzehrs der dargereichten Speisen und Getränke voraus.

2. Der MTV Gaststätten- und Hotelgastronomie NRW findet demnach keine Anwendung, wenn fertig zubereitete Speisen im Kühlregal eines Supermarktes angeboten werden, ohne dass eine Verzehrmöglichkeit gegen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage ist in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Allerdings kann auch in diesem Fall ein Feststellungsinteresse statthaft sein, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich grundsätzlich klärenden, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen.

2. Unter einem Catering ist nach allgemeinem Begriffsverständnis die Lieferung von Speisen und Getränken an einen bestimmten Ort zum dortigen Verzehr zu verstehen.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; GastG § 1 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 611a Abs. 2; MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW § 1 Nr. 1.2 (Fassung: 2016-04-20), § 7 Nr. 4.2 (Fassung: 2016-04-20), § 9 (Fassung: 2016-04-20)

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 16.03.2022; Aktenzeichen 9 Ca 1566/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.03.2022 - 9 Ca 1566/21 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags sowie über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin war vom 01.11.2020 bis zu 30.04.2021 bei der Beklagte beschäftigt. Die Beklagte vertreibt Sushi und andere asiatische Spezialitäten im Wege eines Shop-in-Shop-Systems. Hierbei werden die Speisen in einem separaten Bereich auf der Verkaufsfläche eines Supermarktes zubereitet, verpackt und in Regalen zur Mitnahme durch die Kunden bereitgestellt. Der Verkauf erfolgt sodann über das Warensystem und die Kasse des jeweiligen Supermarktes.

Das Bruttogehalt der Klägerin betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zunächst 2.200,- Euro. Zudem erhielt die Klägerin ein Jobticket, für das ihr monatlich ein Eigenanteil in Höhe von 80,50 Euro vom Lohn abgezogen wurde. Zum 01.12.2020 beabsichtigten die Parteien, das Monatsgehalt der Klägerin auf 2.400,00 Euro brutto anzupassen. Inwieweit hiermit eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 180 Stunden pro Monat im Rahmen einer 6-Tage-Woche erfolgen sollte, ist im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. Im Hinblick auf die angedachte Vertragsänderung zahlte die Beklagte der Klägerin für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 eine Vergütung in Höhe von jeweils 2.400,00 Euro brutto. Der Entwurf einer Änderungsvereinbarung vom 18.11.22020 (Bl. 234 d.A.) wurde von der Klägerin letztlich nicht unterzeichnet; eine Änderung des Arbeitsumfangs oder der Lage der Arbeitszeiten erfolgte auch tatsächlich nicht. Ab Februar 2021 zahlte die Beklagte der Klägerin wieder eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.200,00 Euro brutto, wobei sie die - nach ihrer Auffassung - bestehenden Überzahlungen für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 in Höhe von 272,66 Euro netto von der Vergütungszahlung der Klägerin für den Monat Februar 2021 in Abzug brachte.

Mit ihrer am 17.03.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung der Anwendbarkeit des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW (MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW) begehrt. Hierzu hat sie geltend gemacht, die Beklagte sei der Branche der Gastronomie zuzurechnen; ihre Shops entsprächen der Begriffsbestimmung des § 1 GastG, da in einem räumlich, personell und organisatorisch abgegrenzten Bereich, der jedermann zugänglich sei, zubereitete Speisen verabreicht würden. Hierbei sei unschädlich, dass die gastronomische Tätigkeit innerhalb einer anderen Organisation erbracht werde. Der einzige Unterschied zu klassischen Gastronomiebetrieben sei der Ort des Verzehrs, wobei an mehreren Standorten der Beklagten auch die Möglichkeit bestehe, die zubereiteten Speisen vor Ort zu verzehren. Darüber hinaus erbringe die Beklagte auch Catering-Leistungen; hierbei könnten verzehrfertige Speisen auf Bestellung in den Restaurants der Beklagten abgeholt werden.

Auf Grund des demnach anwendbaren MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW stünde der Klägerin gem. § 7 Ziff. 4.2. MTV ein Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2020 in Höhe von 404,40 Euro brutto sowie für das Jahr 2021 in Höhe von 134,80 Euro brutto zu. Des Weiteren könne die Klägerin gem. § 9 MTV eine Jahressonderzahlung für das J...

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