Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. Kündigungsschutzprozess. Weiterbeschäftigungsantrag. Vergleich. Zeugnis. Arbeitspapiere. Vergleichsmehrwert

 

Leitsatz (amtlich)

1) der sog. Weiterbeschäftigungsantrag ist nur dann – entsprechend der früheren Bezirksrechtsprechung – mit zwei Monatseinkommen zu bewerten, wenn er zwischen den Parteien erkennbar einen Streitpunkt von selbständiger Bedeutung bildet. Läuft er dagegen nur ohne konkrete, fallbezogene Begründung als Reflex zum Kündigungsschutzantrag mit, so erscheint eine Bewertung in Höhe nur eines Monatseinkommens angemessen und ausreichend.

2) Der Streitwert eines Vergleichs ist gleichbedeutend mit dem Wert der Streitpunkte, die durch die Vergleichsregelung rechtsgestaltend beigelegt werden, nicht dagegen mit dem Wert der Leistungen, die die eine Partei der anderen in dem Vergleich zusagt.

Daraus folgt:

a) Wird in einem Vergleich, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellt, auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung der Arbeitspapiere und eines Zeugnisses aufgenommen, so begründet dies einen Vergleichsmehrwert nur dann, wenn über diese Punkte zuvor bereits zumindest außergerichtlich gestritten wurde oder der Arbeitgeber sich mit der Erfüllung dieser Verpflichtungen bereits im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses in Verzug befindet.

b) Entsprechendes gilt für die Frage, ob und inwieweit die Regelung der Verpflichtung zur Zahlung restlicher Vergütung einen Vergleichsmehrwert begründen kann.

 

Normenkette

ZPO § 3; ArbGG § 12 Abs. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 30.11.2001; Aktenzeichen 7 Ca 10330/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Bezirksrevision vom 22.01.2002 hin wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.11.2001 in Sachen 7 Ca 10330/01 teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

Der Streitwert für das Verfahren bis zum 30.10.2001 wird auf 7.222,88 EUR (13.126,72 DM) festgesetzt, für das weitere Verfahren ab diesem Zeitpunkt unter Hinzurechnung der Widerklage auf 8.465,32 EUR (16.556,72 DM) und für den Vergleich vom 30.11.2001 auf 11.533,07 EUR (22.556,72 DM).

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die statthafte Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Der vom Arbeitsgericht festgesetzte Streitwert ist durchgehend um den Betrag in Höhe eines Monatslohnes (1.805,72 Euro = 3.531,68 DM) zu mindern. Das Beschwerdegericht bewertet den sog. Weiterbeschäftigungsantrag dabei nach pflichtgemäßem Ermessen anders als das Arbeitsgericht nicht mit zwei, sondern nur mit einem Bruttomonatseinkommen.

a. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Prozessgerichts in vollem Umfang nachzuprüfen, wobei an die Stelle des Ermessens erster Instanz dasjenige des Beschwerdegerichts tritt (Zöller/Herget, ZPO, 23. Auflage, § 3 Rdnr. 13).

b. Bei der Bewertung des sog. Weiterbeschäftigungsantrags folgt die 7. Kammer der neuesten Rechtsprechung der überwiegenden Mehrzahl aller Kammer des LAG Köln (z. B. 9 Ta 346/99 vom 27.03.2000; 2 Ta 78/00 vom 29.05.2000; 10 Ta 16/01 vom 27.03.2001; 2 Ta 78/02 vom 04.03.2002).

aa. Im Ausgangspunkt ist allerdings der Aussage des Arbeitsgerichts uneingeschränkt beizupflichten, wonach „die Kammern des LAG früher nicht weniger klug waren als heute”. Damit darf den Kammern des LAG jedoch auch nicht für alle Zukunft die Möglichkeit genommen werden, „klüger zu werden”, wenn veränderte Rahmenbedingungen eine Anpassung an die aktuellen Erfordernisse der Zeit bedingen. Das Festhalten an einer langjährig eingefahrenen Rechtspraxis dient zwar der Rechtssicherheit, stellt darüber hinaus aber keinen „Wert an sich” dar.

bb. Folgende Überlegungen haben das LAG zu einer Änderung seiner Rechtsprechung zur Bewertung des sog. Weiterbeschäftigungsantrags bewogen:

aaa. Der dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Grunde liegende Weiterbeschäftigungsanspruch gehörte bekanntlich in seiner Anfangszeit zu den umstrittensten Streitfragen des Arbeitsrechts überhaupt. Dies bedeutete zum einen, dass in den arbeitsgerichtlichen Verfahren, in denen der Antrag gestellt wurde, regelmäßig heftig darüber gestritten wurde. Zum anderen wurde der Antrag regelmäßig nur dann gestellt, wenn der Arbeitnehmer glaubte, ein besonderes Beschäftigungsinteresse geltend machen zu können. Aus dieser Zeit stammt die Bewertung des Weiterbeschäftigungsantrags mit zwei Monatseinkommen.

bbb. Heutzutage zählt der Weiterbeschäftigungsanspruch im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 zu den in der Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur nahezu einhellig anerkannten Rechtsinstituten.

ccc. Zugleich ist die Beobachtung zu machen, dass der Weiterbeschäftigungsantrag vielfach nur routinemäßig – gewissermaßen wie ein Textbaustein – neben einem Kündigungsschutzantrag herläuft, ohne dass in dem gesamten Rechtsstreit auch nur ein Wort zur Begründung eines solchen Antrages oder zur Rechtsverteidigung gegen ihn verloren wird. Diese Fälle sind es, die das LAG in seiner aktuellen Rechtsprechung mit einem Streitwert von zwei Monatsgehä...

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