Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsspaltung. Anhörungspflicht des Betriebsrats bei geplanter Betriebsänderung. Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Verhandlungssicherung. Keine Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei Bagatellaufspaltung. Kein Identitätsverlust des Betriebsrats bei aufgelöstem Gemeinschaftsbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats wird verletzt, wenn der Arbeitgeber ihn vor einer Betriebsspaltung nicht anhört und sich beraten lässt.

2. Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats im Rahmen einer Betriebsänderung dient nur zur Sicherung des Verhandlungsanspruchs, nicht zur Unterlassung der Betriebsänderung an sich.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3, §§ 87, 111

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 04.11.2020; Aktenzeichen 2 BV 30/20)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 11.04.2020)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.03.2022; Aktenzeichen 1 ABR 19/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.11.2021 - 2 BV 30/20 - werden zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten aus Anlass der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs über die Mitwirkungsrechte des Antragstellers bei Betriebsänderungen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der d -Gruppe, die in W ein Verteilzentrum (Kombi-VZ) betreibt. Die Arbeitgeberin bildete mit der d T GmbH, der IT-Gesellschaft der d -Gruppe, einen Gemeinschaftsbetrieb. In dem Gemeinschaftsbetrieb wurden insgesamt mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 20 bei der d T GmbH. Bei der d -d GmbH & Co. KG und bei der d T GmbH ist jeweils ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Der Antragsteller war der für diesen Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat. Weitere Beteiligte waren die Arbeitgeberin und die d T GmbH.

Mit E-Mail Schreiben vom 02.06.2020 teilte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden B mit, dass eine Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs ins Auge gefasst sei und dass die Geschäftsführung diesbezüglich in einen Austausch mit dem Antragsteller treten wolle. Am 22.06.2020 erörterten Vertreter der Beteiligten die Angelegenheit unter Hinzuziehung ihrer jeweiligen Rechtsbeistände.

Am 22.06.2020 schlossen die Arbeitgeberin und die d T GmbH eine Vereinbarung, wonach der zwischen ihnen bestehende Gemeinschaftsbetrieb in W mit sofortiger Wirkung beendet werde. Ab sofort stünden jeder Partei nur noch Weisungsrechte gegenüber ihren eigenen Mitarbeitern zu. Sämtliche arbeitnehmerbezogenen Entscheidungen würden die Parteien ab sofort voneinander unabhängig und ohne Abstimmung untereinander treffen. Eine gemeinschaftliche Willensbildung in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten finde nicht mehr statt. Zudem seien sich die Parteien darüber einig, dass für den eigenständigen Betrieb der d T GmbH ein separater Betriebsrat gewählt werden könne.

Diese Trennungsvereinbarung teilte die Arbeitgeberin dem Antragsteller durch E-Mail-Schreiben vom 23.06.2020 mit.

In der Folgezeit zogen die Arbeitnehmer der d T GmbH in ein anderes Betriebsgebäude. Am 30.07.2020 wurde für den Betrieb der d T GmbH ein Betriebsrat gewählt.

Der Antragsteller hat in dem vorliegenden, von ihm am 20.07.2020 bei dem Arbeitsgericht Bonn anhängig gemachten Beschlussverfahren die Ansicht vertreten, dass die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs eine Betriebsspaltung und damit eine Betriebsänderung darstelle und dass die Arbeitgeberin gegen ihre Verpflichtungen zur umfassenden Unterrichtung und Beratung verstoßen habe. Er hat behauptet, dass am 22.06.2020 nur eine erste Unterrichtung über die geplante Betriebsänderung stattgefunden habe. Dabei habe es sich um eine Informationsveranstaltung, nicht hingegen um eine Beratung der geplanten Änderung gehandelt. Sein Vorsitzender habe am Ende der Videokonferenz der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass dies für eine Erstinformation genüge. Auf der kommenden Betriebsratssitzung am 24.06.2020 werde er die Angelegenheit mit dem Gremium besprechen, um festzustellen, ob weitere Unterlagen notwendig seien und ob in Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs getreten werden müsse.

Im Gütetermin vom 07.08.2020 hat das Arbeitsgericht das Rubrum dahingehend korrigiert, dass Antragsteller nunmehr der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat und weitere Verfahrensbeteiligte nur noch die Arbeitgeberin sei.

Im Anhörungstermin vom 04.11.2020 hat der Antragsteller beantragt,

  1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, eine Betriebsänderung an seinem Standort, dem Kombi-VZ W , vorzunehmen, ohne ihn zuvor unter der Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet und mit ihm beraten zu haben;
  2. hilfsweise zu dem Antrag zu 1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, eine Betriebsspaltung an seinem Standort, dem Kombi-VZ W , vorzunehmen, ohne ihn zuvor unter der Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet und mit ihm beraten zu habe...

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