Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit einer Einigungsstelle für Regelungen zur Abwendung von Übergriffen von Bewohnern einer Einrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle für Regelungen über den Gesundheitsschutz bei unstreitigen Gefährdungen (hier Übergriffe von Heimbewohnern) auch ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Einigungsstelle für Regelungen zur Abwendung von Übergriffen von Bewohnern einer Einrichtung ist nicht offensichtlich unzuständig im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Vielmehr erscheint eine Zuständigkeit der Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG aufgrund des Mitbestimmungstatbestands gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm § 3 ArbSchG zumindest nicht ausgeschlossen.

 

Normenkette

ArbGG § 100 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 22.06.2018; Aktenzeichen 5 BV 25/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den im Anhörungstermin vom 19.06.2018 (Datum des Anhörungstermins in den zugestellten Ausfertigungen: 22.06.2018) verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg - 5 BV 25/18 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Arbeitgeberin unterhält in B eine Einrichtung für Behinderte. Nachdem es in der Vergangenheit zu Übergriffen von Einrichtungsbewohnern auf Arbeitnehmer gekommen war, hat der Betriebsrat mit seinem am 22.05.2018 bei dem Arbeitsgericht Siegburg eingereichten Antrag die Einrichtung einer Einigungsstelle zur Festlegung von Maßnahmen, die zur Abwendung von Übergriffen seitens der Heimbewohner begehrt. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zustehe, da es um betriebliche Regelungen über den Gesundheitsschutz gehe.

Mit einem ausweislich der Sitzungsniederschrift im Anhörungstermin vom 19.06.2018 verkündeten Beschluss, der als Anhörungstermin in der vom Vorsitzenden abgesetzten und unterschriebenen Fassung den 21.06.2018 sowie in den zugestellten Ausfertigungen den 22.06.2018 ausweist, hat das Arbeitsgericht entsprechend dem Antrag des Betriebsrats Frau Dr. K F zur Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Festlegung von Maßnahmen, die zur Abwendung von Übergriffen dienen, die von Bewohnern der Einrichtung ausgehen, beststellt und - insoweit unter teilweiser Zurückweisung desAntrags - die Zahl der Beisitzer pro Seite auf 2 festgesetzt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in der fraglichen Angelegenheit nicht offensichtlich ausgeschlossen sei. Es bestehe eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Arbeitnehmer, da in der Einrichtung gefährliche Bewohner betreut würden. Der Betriebsrat könne im Mitbestimmungsverfahren erzwingen, dass Regelungen über den Gesundheitsschutz erlassen würden. Die Angelegenheit sei jedoch nicht so komplex, dass sie mehr als zwei Beisitzer pro Seite erfordere.

Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 25.06.2018 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde ist nebst Begründung am 06.07.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Arbeitgeberin rügt, dass der vom Arbeitsgericht festgelegte Regelungsgegenstand nicht der betrieblichen Mitbestimmung unterliege. Es sei nicht möglich, Rahmenregelungen für die Verhütung von Arbeitsunfällen zu erstellen. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall eine Beurteilung der Gefährdungslage erfolgen. Vorrangig gehe es dem Betriebsrat um die Regelung einer Mindestbesetzung der Einrichtung. Diese unterliege jedoch nicht seinem Mitbestimmungsrecht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 22.06.2018 - 5 BV 25/18 - abzuändern und die Anträge des Betriebsrats insgesamt abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Frau Dr. F zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle ernannt, die die Abwendung von Übergriffen von Bewohnern der Einrichtung betrifft.

1.) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist die Einigungsstelle zur Regelung der Angelegenheit nicht offensichtlich unzuständig iSd. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Vielmehr erscheint eine Zuständigkeit der Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG auf Grund des Mitbestimmungstatbestands in § 87 Abs. 1Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 ArbSchG zumindest nicht ausgeschlossen.

a) Im Gegensatz zu § 88 Nr. 1 BetrVG besteht gemäß § 87 Abs. 1Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Diese Regelungen können auch die Abwendung von Übergriffen von Bewohnern der Einrichtung betreffe...

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