Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von abgerechneten oder einfach zu berechnenden Vergütungsansprüchen sowie im Kündigungsschutzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO ist egelmäßig nicht erforderlich, wenn der Kläger abgerechnete oder einfach zu berechnende Vergütungsansprüche klageweise geltend macht.

2. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen sind auf Kündigungsschutzklagen nicht übertragbar. Diese sind regelmäßig nicht als einfach liegende Rechtsstreitigkeiten einzustufen. Regelmäßig ist daher eine Beiordnung auch schon für den Gütetermin erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn eine Kündigung offensichtlich unwirksam ist.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 02.04.2012; Aktenzeichen 2 Ca 1529/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 2. April 2012

- 2 Ca 1529/12 - aufgehoben.

Der Klägerin wird Rechtsanwalt R beigeordnet.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 2. April 2012 ist zulässig und begründet. Der Klägerin ist Rechtsanwalt R beizuordnen.

1. Die Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht i. S. der §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 222 Abs. 2, 567 ff. ZPO i.V.m. § 78 Satz 1 ArbGG eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

a) Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 121 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Ist die Gegenseite anwaltlich nicht vertreten, kommt es allein darauf an, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts "erforderlich erscheint".

Was "erforderlich erscheint", ist im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG iVm. dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip auszulegen. Nach diesen Grundsätzen muss die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend angeglichen werden. Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden; der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Begüterter. Ein Rechtsanwalt ist beizuordnen, wenn ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - NJW 2010, 2478).

Das gebietet eine auf die jeweilige Lage bezogene Einzelfallprüfung und lässt eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zu. Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilen sich vielmehr im Einzelfall nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit sowie Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch nach der Fähigkeit des Beteiligten, seine Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Partei der Hilfe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, hier: der Rechtsantragsstelle eines Arbeitsgerichts, vergewissern kann (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - NJW 2010, 2478).

Eine Beiordnung ist daher regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht oder der Antragsteller nicht in der Lage ist, die Hilfe der Rechtsantragsstelle in Anspruch zu nehmen (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - NJW 2010, 2478).

Gleiches gilt, falls bereits im Gütetermin mit einer Erörterung des gesamten Streitverhältnisses durch den Vorsitzenden (§ 54 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) zu rechnen ist, die auch die Würdigung rechtlicher und tatsächlicher Umstände verlangt, und an der auch eine begüterte Partei im Interesse einer sachgerechten Rechtsverfolgung nicht ohne anwaltlichen Beistand teilnehmen würde. Allein die Möglichkeit, dass der Klagegegner Einwendungen erhebt, hat allerdings keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Schwierigkeit einer Sache. Dies ist jedem Zivilprozess immanent. Das kann dazu führen, dass es der antragstellenden Partei zuzumuten ist, den Verlauf des arbeitsgerichtlichen Gütetermins abzuwarten. Das gilt jedoch dann nicht, wenn derartige Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - NJW 2010, 2478).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO regelmäßig nicht erforderlich, wenn der Kläger abgerechnete oder einfach zu berechnende Vergütungsansprüche klageweise geltend macht (LAG Köl...

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