Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Studiendarlehen. Einkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Auch Zuflüsse aus sog. Studiendarlehen der KfW-Bank stellen Einkommen i. S. d. § 115 Abs. 1 ZPO dar.

 

Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Beschluss vom 16.11.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1693/08 G)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufhebenden Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.11.2011 – 4 Ca 1693/08 G – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich durch Beschluss vom 19.08.2008 bewilligte Prozesskostenhilfe zu Recht gemäß den §§ 115 Abs. 4, 120 Abs. 4 ZPO aufgehoben. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers haben sich unter Berücksichtigung des von der KfW-Bank gewährten Studiendarlehens in Höhe von monatlich 600,00 EUR so verbessert, dass sich ein anrechenbares Einkommen von 582,00 EUR monatlich ergibt, das zu einer Ratenzahlungshöhe von 225,00 EUR führen würde. Da Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen ist, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 4 ZPO), war die Bewilligung aufzuheben.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die monatlichen Geldzuflüsse aus dem von der KfW-Bank gewährten Studiendarlehen als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, soweit sie der hilfsbedürftigen Partei tatsächlich zufließen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Auflage, § 115 Rz. 4). Bei dem gesetzlichen Einkommensbegriff wird nicht darauf abgestellt, aus welchem Rechtsgrund das jeweilige Einkommen gezahlt wird, vielmehr ist allein entscheidend, dass der Hilfesuchende tatsächlich eine Einnahme in Geld erzielt. Maßgeblich ist die tatsächliche Verfügbarkeit des Geldes ohne Rücksicht darauf, ob der Einkommensbezieher zur Herausgabe des Zuflusses oder zur Rückzahlung der Geldleistungen verpflichtet ist (vgl. zum Einkommensbegriff des § 11 Abs. 1 SGB II LSG Niedersachsen-Bremen vom 10.12.2009 – L 13 AS 366/09 B ER, juris; a. A. BSG vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R, juris; beide m. w. N. zum Streitstand). Eine andere Betrachtung würde den Darlehensbezieher gegenüber Hilfesuchenden ohne weiteres Einkommen unvertretbar besser stellen und das wirtschaftliche Risiko des Darlehensgebers indirekt auf den Träger der Prozesskostenhilfe abwälzen. Das ist nicht der Sinn der staatlich finanzierten Prozesskostenhilfe, die einer hilfsbedürftigen Partei die Führung eines Prozesses ermöglichen soll.

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, es könne dann jeder einkommenslose Prozesskostenhilfe-Antragsteller darauf verwiesen werden, sich das nötige Geld bei der Bank oder bei Verwandten zu leihen. Denn der tatsächliche Zufluss darlehensweise gewährter Gelder ist zu unterscheiden von der regelmäßig nicht bestehenden Pflicht, zur Selbsthilfe Schulden durch die Aufnahme von Krediten zu machen (vgl. zutreffend LSG Niedersachen-Bremen, a. a. O.). Es obliegt der Selbstverantwortung des Hilfesuchenden, ob er durch die Annahme eines Darlehens Schulden eingeht, um über die Mittel zur besseren Steuerung seiner Bedürfnisse zu verfügen. Das zeigt auch der Streitfall, in dem der Kläger selbst erklärt hat, er nutze den Auszahlungsbetrag aus dem KfW-Darlehen neben dem BAFöG-Betrag „für einen besseren Lebensstandard”. Dann ist es ihm auch zuzumuten, die überschaubaren Prozesskosten in Höhe von rund 450,00 EUR zurückzuzahlen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 78 S. 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

 

Unterschriften

Dr. Kalb

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2944279

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