Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Geldzufluss aus Privatdarlehen. Berücksichtigung unabhängig von der Rückzahlungsverpflichtung. Ausnahme beim Nothelferdarlehen im Eilverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das im Bewilligungszeitraum von einem Dritten gewährte Darlehen ist für den Hilfesuchenden Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.

2. Neben den Kategorien Einkommen und Vermögen in § 9 Abs 1 Nr 2 SGB 2 gibt es keine dritte Kategorie von zufließenden Geldmitteln, die anrechnungsfrei zu bleiben hätten, wenn die Hilfebedürftigkeit zu beurteilen ist (entgegen LSG Essen vom 11.12.2008 - L 7 AS 62/08 und LSG Celle-Bremen vom 26.2.2009 - L 8 SO 57/07).

3. Ein Hilfesuchender ist bei fehlendem Vermögen nicht verpflichtet, zur Beseitigung seiner Notlage ein Darlehen aufzunehmen.

4. Es ist nicht Aufgabe der Transferleistungen nach dem SGB 2, dem Kreditgeber eines Hilfeempfängers das wirtschaftliche Risiko seiner Darlehensrückgewähr abzunehmen.

5. Ausnahmsweise bleibt das Darlehen eines Nothelfers während der Dauer eines Eilverfahrens unberücksichtigt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes betreffenden Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 12. Okt. 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren sinngemäß vom Antragsgegner die Gewährung von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 812,00 EURO im Wege der einstweiligen Anordnung für den Monat Juli 2009.

Die im August 1960 geborene Antragstellerin zu 1. und der im April 1961 geborene Antragsteller zu 2. sind verheiratet; aus der Ehe sind der im Mai 1981 geborene Sohn H. und der im August 1986 geborene Sohn I. hervorgegangen. Sie wohnen - zusammen mit der im September 1981 geborenen Lebensgefährtin J. des Sohnes H. - auf dem 1402 qm großen Wohn- und Geschäftsgrundstück, welches bis 1997 im Eigentum der Antragsteller stand, im Jahre 2000 an den Sohn H. übertragen und von diesem im März 2005 an seine Lebensgefährtin J. übertragen wurde. Ob die Antragsteller gemeinsam mit ihren Kindern und der Lebensgefährtin des Sohnes H. einen gemeinsamen Haushalt führen, ist nicht bekannt. Auf dem Grundstück wird in der Rechtsform einer GmbH ein Kraftfahrzeughandel betrieben, deren Geschäftsführer ausweislich des Stempels einer Einkommensbescheinigung vom Januar 2009 der Antragsteller zu 1. und der Sohn H. sind. Wer Eigentümer der GmbH ist, und wie die Einkommens- und die Vermögensverhältnisse der Söhne der Antragsteller und der Lebensgefährtin des Sohnes H. sind, ist nicht bekannt.

Ausweislich zweier Bescheinigungen einer deutschen Großbank vom Dezember 2006 ist das Wohn- und Geschäftsgrundstück mit Grundschulden belastet, die insgesamt in etwa zu diesem Zeitpunkt mit 200.000,00 EURO valutierten. Für die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen waren an die Bank monatliche Zinsleistungen (ohne Tilgung) in Höhe von 871,42 EURO zu erbringen.

Außerdem erfolgten monatliche Einzahlungen auf einen Bausparvertrag in Höhe von 342,00 EURO, um mit der Ansparleistung bei Zuteilung des Bausparvertrages die Auszahlungssumme zur Darlehenstilgung zu verwenden.

Die Antragstellerin zu 1. ist Hausfrau; der Antragsteller zu 2. bezieht ausweislich einer Verdienstbescheinigung für den Monat Januar 2009 monatliche Einkünfte in Höhe von netto 359,19 EURO.

Im Mai 2005 war der Sohn I. der Antragsteller schwer verunfallt; er bedarf seitdem ständiger Pflege und Betreuung. Im Hinblick auf den Unfall erfolgte zu einem spätere nicht bekannten Zeitpunkt eine Zahlung der K. in Höhe von 560.000,00 EURO, auch werden aus einer privaten Pflegeversicherung monatlich 1.800,00 EURO und eine monatliche private Rente in Höhe von 600,00 EURO gewährt. Aus den Barmitteln, die aufgrund des Unfalls der Familie zugeflossen waren, wurden wohl 2007 ein Wohnmobil und ein Pkw angeschafft, die später in 2008 wieder veräußert wurden. Auch wurden vom Sohn H. Geld in Wertpapieren angelegt und bauliche Veränderungen am Wohn- und Geschäftshaus finanziert.

Auf ihren Antrag erhielten die Antragsteller für die Zeit vom 15. März bis 31. Mai 2007 laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Danach wurden die Leistungen eingestellt.

Am 17. Juli 2008 schlossen die Antragsteller zusammen mit ihren Söhnen und der Lebensgefährtin ihres Sohnes H. einen notariellen Vertrag beim Notar L. (Urkundenrollen-Nr. 177/08), mit dem wechselseitige Ansprüche aus der Verwendung der Schmerzensgeldleistungen, der getätigten Auslagen sowie Vereinbarungen über die Rückführung bestehender Verbindlichkeiten und deren Höhe getroffen wurden. Dabei wurden die Restschulden der Antragsteller gegenüber ihrem Sohn I. auf 235.000,00 EURO beziffert und deren Tilgung in der Weise vorgesehen, dass sich dieser - neben der Übertragung des Eigentums am Grundstück auf den Sohn I. - ≪ Antragstel...

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