Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsfähigkeit einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung. Ausfüllen einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung als unvertretbare Handlung. Kostenlast des Beschwerdeführers bei Einreichung der Bescheinigung erst im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem Vergleich übernommene Verpflichtung der Schuldnerin, dem Gläubiger einen nach amtlich vorgeschriebenem Muster gefertigten Ausdruck der elektronischen Steuerbescheinigung zu erteilen oder elektronisch bereit zu stellen, ist hinreichend bestimmt und als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken.

 

Normenkette

ZPO § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 S. 1, § 888

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 10.02.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1455/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.10.2020 in der Fassung des teilweise abhelfenden Beschlusses vom 10.02.2020 - 3 Ca 1455/20 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Gläubiger zu 86% und die Schuldnerin zu 14%.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Verhängung von Zwangsmitteln wegen einer nicht erteilten Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2019.

Der Gläubiger war in der Zeit vom 01.12.2018 bis zum 31.03.2020 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Versicherungsbranche, als Fachwirt für Versicherungen zu einer vereinbarten monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 1.772,43 EUR angestellt. Die Parteien schlossen am 08.06.2020 vor dem Arbeitsgericht Aachen in dem Rechtsstreit 3 Ca 1455/20 einen Vergleich. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Schuldnerin u.a., dem Gläubiger einen nach amtlich vorgeschriebenem Muster gefertigten Ausdruck der elektronischen Steuerbescheinigung für das Jahr 2019 und für das Jahr 2020 binnen der gesetzlichen Frist zu erteilen oder elektronisch bereit zu stellen (Nr. 2), dem Gläubiger eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III zu erteilen (Nr. 3) und dem Gläubiger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen (Nr. 4).

Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs wurde dem Gläubiger am 13.07.2020 erteilt. Der Vergleich wurde der Schuldnerin am 20.07.2020 von Anwalt zu Anwalt zugestellt.

Ihren Verpflichtungen nach Nr. 2 bis Nr. 4 des Vergleichs kam die Schuldnerin zunächst nicht nach.

Mit Schriftsatz vom 17.09.2020 hat der Gläubiger wegen der Verpflichtungen gemäß Nr. 2 bezüglich der Steuerbescheinigung für das Jahr 2019, Nr. 3 und Nr. 4 des Vergleichs beantragt, der Schuldnerin ein Zwangsgeld, für den Fall einer nicht möglichen Beitreibung desselben, Zwangshaft aufzuerlegen.

Mit Schriftsatz vom 06.10.2020 übermittelte die Schuldnerin dem Arbeitsgericht die Kopie eines unter dem 08.08.2020 erstellten Arbeitszeugnisses.

Mit Beschluss vom 28.10.2020 hat das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Verpflichtungen zur Erteilung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2019 und einer Arbeitsbescheinigung nach§ 312 SGB III ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR verhängt, für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit für je 500 EUR einen Tag Zwangshaft gegen den Geschäftsführer festgesetzt und den Zwangsvollstreckungsantrag wegen der Zeugnisforderung zurückgewiesen.

Der Beschluss ist der Schuldnerin am 30.10.2020 und dem Gläubiger am 02.11.2020 zugestellt worden.

Am 12.11.2020 hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und zur Begründung auf eine in Kopie beigefügte undatierte Arbeitsbescheinigung verwiesen.

Am 17.11.2020 hat der Gläubiger sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, soweit der Schuldnerin bezüglich der Zeugniserteilung kein Zwangsgeld auferlegt wurde.

Mit Beschluss vom 10.02.2021 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde des Gläubigers nicht abgeholfen. Mit weiterem Beschluss vom 10.02.2021 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin insoweit nicht abgeholfen, als dass die Verpflichtung zur Erteilung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2019 noch bestehe, und seinen Zwangsmittelbeschluss vom 28.10.2020 wegen der zwischenzeitlich übermittelten Arbeitsbescheinigung als gegenstandslos angesehen.

Mit Schriftsatz vom 26.03.2021 hat der Gläubiger die sofortige Beschwerde vom 17.11.2020 zurückgenommen, nachdem das Beschwerdegericht ihn auf die Versäumung der Beschwerdefrist hingewiesen hatte.

II.

Die somit allein noch anhängige sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat bezüglich der Verpflichtung zur Erteilung der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2019 zu Recht ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft gem. § 888 ZPO festgesetzt.

1.) Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Der Prozessvergleich ist ein vollstreckbarer Titel, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Vollstreckungsklausel ist erteilt, §§ 795 Satz 1, 724,725 ZPO. Der Titel wurde der Schuldnerin zugestellt, § 795 Satz 1, 750 Abs. 1 ZPO.

2.) Der Vergleich ist hinreichend bestimmt, auch wenn er lediglich die Formulierung...

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