Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht greifbar gesetzwidrig, darf die Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Gericht die Bewilligungsvoraussetzungen sorgfältig geprüft und zutreffend über den Antrag entschieden hat.

2. Die Bewilligung darf nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil das Gericht ihre Voraussetzung später anders beurteilt als im Zeitpunkt der Bewilligung.

 

Normenkette

ZPO § 116 S. 1 Nr. 2, § 124

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 05.11.2001; Aktenzeichen 5 Ca 4993/99)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.11.2001 – 5 Ca 4993/99 – aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 19.11.1999 – 5 Ca 4993/99 – abgeändert:

Der Beklagte hat sich in voller Höhe an den Prozesskosten zu beteiligen. Es werden monatliche Raten in Höhe von 200,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Im Gütetermin vom 19.11.1999 wurde das Verfahren durch Vergleich erledigt. Gleichzeitig wurde beiden Parteien antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Gegen den zu Gunsten des beklagten Vereins ergangenen Prozesskostenhilfe-Beschluss hat die Bezirksrevisorin am 01.02.2000 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Partei an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen. Durch Beschluss vom 05.11.2001 hat das Arbeitsgericht auf diese Beschwerde hin seinen Beschluss vom 19.11.1999 mit der Begründung aufgehoben, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben seien. Hiergegen hat der beklagte Verein am 09.11.2001 Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist begründet.

Die Entziehung der Prozesskostenhilfe durch den Aufhebungsbeschluss vom 05.11.2001 ist aus mehreren Gründen nicht gerechtfertigt.

a) Zunächst ist festzustellen, dass das Arbeitsgericht, das auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin seinen Beschluss aufgehoben hat, über das Ziel der Beschwerde hinausgegangen ist. Die Bezirksrevisorin hat lediglich Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beklagten an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht dem Beklagten die Prozesskostenhilfe gänzlich entzogen. Mit einem solchen Ziel hätte die Bezirksrevisorin ihre Beschwerde auch gar nicht verfolgen können, weil sie sich damit außerhalb ihrer Kompetenzen begeben hätte. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO regelt die Voraussetzungen, wann eine inländische juristische Person Prozesskostenhilfe erhalten kann. Diese Norm bezieht sich mithin auf den Kernbereich der Prozesskostenhilfe. Wird diese gesetzliche Regelung im Bewilligungsverfahren übersehen oder unrichtig angewandt, so handelt es sich dabei um die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe selbst. Der Staatskasse ist verwehrt, sich beschwerdeführend gegen die Bejahung der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu wenden (LAG Bremen, Beschluss vom 20.05.1988, LAGE § 127 ZPO Nr. 17; Zöller. 22. Auflage. § 127 Rdnr. 17).

b) Die Beschwerde der Staatskasse kann für das Gericht jedoch Anregung sein, eine Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO zu überprüfen. Diese Bestimmung gilt auch für juristische Personen nach § 116 ZPO. Ob das Arbeitsgericht eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung nach § 124 ZPO vornehmen wollte, ist zweifelhaft, zumal der Aufhebungsentscheidung nicht zu entnehmen ist, ob und wenn ja in welcher Weise das Arbeitsgericht von dem ihm zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht hat. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, weil das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht aufheben durfte, so dass schon die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung fehlen. § 124 ZPO zählt die Gründe, aus denen die Prozesskostenhilfe-Bewilligung aufgehoben werden kann, abschließend auf. Andere Gründe als diejenigen des § 124 erlauben die Aufhebung nicht. Insbesondere darf die Bewilligung nicht aufgehoben werden, wenn das Gericht lediglich auf Grund erneuter Prüfung ihre Voraussetzungen verneint oder im Fall des § 124 Nr. 3 ZPO bei gleichgebliebenen wirtschaftlichen Verhältnissen auf Grund erneuter Prüfung die Hilfsbedürftigkeit anders beurteilt. Die Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Gericht die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sorgfältig geprüft und zutreffend über den Antrag entschieden hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.1993, MDR 1993, Seite 583). Unterläuft dem Gericht, das PKH bewilligt, ein Fehler bei der Würdigung vollständiger und richtiger Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse, so darf die Bewilligung nicht aufgehoben werden, wenn das Gericht die Voraussetzungen für sie nachträglich anders beurteilt als anfangs (Zöller § 124 Rdnr. 13 m. N.). Die Bewilligung der Proze...

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