Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheit von Unterlassungsanträgen. Unterlassung von Überstundenanordnungen. Unterlassung der Duldung von Überstunden. Mitbestimmungswidrige Überstundenanordnungen. Überstunden im Notfall oder bei Arbeitskampfmaßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen gerichteter Antrag ist nicht deshalb zu unbestimmt, weil er durch einen "Notfall" oder "Arbeitskampfmaßnahmen" bedingte Maßnahmen von der Unterlassungsanordnung ausnimmt.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3, § 77 Abs. 1; ZPO § 890 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 11.04.2013; Aktenzeichen 6 BV 6/13)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.04.2013 (Az. 6 BV 6/13) abgeändert und wie folgt gefasst:

    • 1.

      Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber den in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern der Abteilung Shop/Expedition in ihrem Betrieb in K , , Überstunden in Form der über die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistung anzuordnen oder zu dulden, sofern

      - der Betriebsrat hierzu nicht seine Zustimmung erteilt hat bzw. dessen Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt ist,

      - ein Notfall im Sinne der Rechtsprechung vorliegt,

      - die Überstundenanordnung durch eine Arbeitskampfmaßnahme bedingt ist

      - oder ein Ausnahmefall im Sinne von § 5b der Betriebsvereinbarung v. 08.05.2009 zur Anordnung von Mehrarbeit vorliegt.

    • 2.

      Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern der Abteilung Shop/Expedition in ihrem Betrieb in K , , Überstunden in Form der Arbeit am sechsten Tage anzuordnen oder zu dulden, sofern

      - der Betriebsrat hierzu nicht seine Zustimmung erteilt hat bzw. dessen Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt ist,

      - ein Notfall im Sinne der Rechtsprechung vorliegt,

      - die Überstundenanordnung durch eine Arbeitskampfmaßnahme bedingt ist

      - oder ein Ausnahmefall im Sinne von § 5b der Betriebsvereinbarung v. 08.05.2009 zur Anordnung von Mehrarbeit vorliegt.

  • II.

    Für jeden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2. oder 3. wird der Arbeitsgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR angedroht.

  • III.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.(*)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche des Betriebsrats (Antragsteller) in Hinblick auf verschiedene Überstundenanordnungen der Arbeitgeberin [Beteiligte zu 2)].

Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen der Bäckereibranche und beschäftigt in ihrem Betrieb in K ca. 400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der im Betrieb gebildete neunköpfige Betriebsrat. Im Betrieb bestehen mehrere Abteilungen, unter anderem die Abteilung Shop/Expedition unter Leitung des Abteilungsleiters Herrn H . Die regelmäßige tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden wird in einer Fünf-Tage-Arbeitswoche an sechs Wochentagen geleistet. Die Beteiligten haben unter dem 08.05.2009 eine Betriebsvereinbarung zur Regelung des Verfahrens bei der Anordnung von Mehrarbeit (Betriebsvereinbarung Mehrarbeit) abgeschlossen, welche folgende Regelungen enthält:

"§ 1 Zielsetzung

[...]

2. Mehrarbeit aufgrund des "6. Tages" ist zustimmungspflichtig und wird zwischen den Vertragsparteien gesondert geregelt. Diese Mehrarbeit ist separat zu beantragen ... [...]

§ 2 Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für die Abteilungen Verpackung, Bäckerei, Expedition (Shop) und Verwaltung im Betrieb K .

§ 4 Anordnung und Freiwilligkeit von Mehrarbeit

Wenn es aus betriebsbedingten Gründen notwendig ist, Mehrarbeit zu leisten, können unter Beachtung der persönlichen Belange und des Gleichbehandlungsgrundsatzes Arbeitnehmer/innen zur Mehrarbeit herangezogen werden, wenn dieser Mehrarbeit vom Betriebsrat zugestimmt wurde.

[...]

§ 5b Mehrarbeit in Ausnahmefällen

1. Unvorhergesehene Arbeitsunfähigkeit von Mitarbeiter/innen

2. Unvorhergesehene Urlaubs- oder Freizeitbeantragung von Mitarbeiter/innen mit Zustimmung des Abteilungsleiters

Bei Mehrarbeit aufgrund der oben aufgeführten Ausnahmefälle gilt die Zustimmung des Betriebsrats für entsprechenden Ersatz in dieser Kalenderwoche als erteilt.

[...]"

Hinsichtlich des Inhalts der Betriebsvereinbarung im Übrigen wird auf die Anlage AST 1 zur Antragsschrift verwiesen.

In der Vergangenheit wurden durch den Antragsteller verschiedene arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren gegen die Arbeitgeberin wegen Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht bei Mehrarbeit eingeleitet. Im dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln mit dem Aktenzeichen 2 BV 292/07 erklärte die Arbeitgeberin, dass ihr nicht daran gelegen sei, die einschlägigen Mitbestimmungsrechte des Antragstellers zu missachten, worauf der Betriebsrat das Verfahren für erledigt erklärte. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln mit dem Aktenzeichen 9 BVGa 5/09 wurde der Arbeitgeberin aufgegeben, es zu unterlassen, unter anderem in der Abteilung Bäckerei Überstunden anzuordnen, ohne dass zuvor hierüber eine Einigung mi...

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