Entscheidungsstichwort (Thema)

Leitende Angestellte i. S. des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

Als leitender Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist anzusehen, wer gemäß dem Arbeitsvertrag und seiner tatsächlichen betrieblichen Stellung in die Leitungs- und Führungsebene einzuordnen ist und der befugt ist, unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst zu treffen oder entscheidend vorzubereiten. Je tiefer die Entscheidungsstufe des Angestellten in der Unternehmenshierarchie anzusiedeln ist, auf der er seine unternehmens- oder betriebsleitenden Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume bereits auf den höheren Entscheidungsstufen aufgebraucht wurden.

 

Normenkette

BetrVG § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 18.01.2023; Aktenzeichen 5 BV 47/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.01.2023 - 5 BV 47/21 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die zweitinstanzliche Antragserweiterung der Abweisung unterliegt.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Arbeitgeber ist eine Einrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und beschäftigt ca. 10.300 Arbeitnehmer. Seine institutionelle Förderung bezieht er ganz überwiegend über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Zur Förderung von Forschung, Bildung und Innovation unterhält der Arbeitgeber seit 1974 einen sog. Projektträger mit derzeit ca. 1.600 Arbeitnehmern, der seinen Hauptsitz in B hat und bei dem ein eigener Betriebsrat, der Antragsteller, gebildet ist. Der Projektträger ergänzt die wissenschaftliche Ausrichtung des Arbeitgebers. Er ist rechtlich unselbstständig, jedoch fachlich, organisatorisch sowie räumlich verselbständigt und von den Forschungs- und Entwicklungseinheiten des Arbeitgebers abgegrenzt. Zu seinen Auftraggebern zählen Bundes- und Landesministerien, die Europäische Kommission, Wissenschaftsorganisationen, Verbände und Stiftungen, die Fördermittel auf Basis strategischer Entscheidungen und Ziele bereitstellen. Aufgabe des Projektträgers ist es, Konzepte dafür zu entwickeln und umzusetzen. Im Jahr 2022 betreute er mehr als 15.600 Fördervorhaben mit einem Gesamtfördervolumen von 1,98 Mrd. EUR.

Gemäß Nr. 1 seiner Geschäftsordnung ist der Projektträger strukturell dem Vorstand des Arbeitgebers unterstellt. Die Leitung des Projektträgers besteht nach Nr. 3.1 der Geschäftsordnung aus seinem Leiter und dessen ständigen Vertreter. Unterhalb der Leitungsebene ist der Projektträger in die fünf Bereiche

  • -

    - "Europäische und internationale Zusammenarbeit" (Bereichsleiter: Dr. A S)

  • -

    - "Gesundheit" (Bereichsleiter Dr. J Sc)

  • -

    - "Gesellschaft, Innovation und Technologie "(Bereichsleiter: M W)

  • -

    - "Bildung und Gender" (Bereichsleiterin: Dr. As F)

  • -

    - "Umwelt und Nachhaltigkeit" (Bereichsleiter Dr. S R)

gegliedert.

Ein zentraler Bereich "Kompetenzzentren und Services" (Bereichsleiter: U P) unterstützt als interner Dienstleister das Aufgabenspektrum des Projektträgers sowie die Entwicklung neuer Geschäftsfelder in den einzelnen Fachbereichen.

Zu den Aufgaben der Bereichsleitungen gehört es nach der Geschäftsordnung, die Rahmenbedingungen für die optimale Gewinnung und Umsetzung von Aufträgen zu schaffen. Sie berichten an die Leitung des Projektträgers, verhandeln mit ihr die strategische Ausrichtung des Bereichs und schließen mit ihr entsprechende Zielvereinbarungen ab. Den Bereichsleitungen ist weder Generalvollmacht noch Prokura erteilt. Ihre jährliche Vergütung liegt zwischen 93.780,00 EUR und 122.220,00 EUR. Zusätzlich wurde ihnen eine Versorgungszusage über die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erteilt.

Zunächst sah der Arbeitgeber die Bereichsleitungen nicht als leitende Angestellte an. 2020 änderte der Arbeitgeber seine Rechtsauffassung. Im November 2020 ernannte der Arbeitgeber alle damaligen Bereichsleiter schriftlich zu leitenden Angestellten.

Mit seinem bei dem Arbeitsgericht B anhängig gemachten Antrag begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass es sich bei den Bereichsleitungen nicht um leitende Angestellte handele. Er hat die Auffassung vertreten, dass die bei dem Arbeitgeber zu beachtenden Regelungswerke eine im Sinne der Deckungsgleichheit erforderliche Übertragung von Verantwortung und Entscheidungsfreiheit auf die Bereichsleitungen ausschließe. Dementsprechend gebe es bei dem Arbeitgeber auf der dritten Ebene keine leitenden Angestellten. Die Bereichsleitungen hätten lediglich Aufsichts-, Qualitätssicherungs- und Überwachungsaufgaben und seien schwerpunktmäßig auf Basis von Zielvereinbarungen tätig. Die zu dem Dienstleistungsportfolio des Projektträgers gehörenden Tätigkeiten seien zudem nicht unternehmerkennzeichnend, sondern unternehmenskennzeichnend.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass die Arbeitnehmer Herr Dr. A S, Herr Dr. J Sc, Herr M W und ...

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