Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich. kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats betreffend die Durchführung einer Betriebsänderung. einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts, der den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in Beschlußsachen ohne mündliche Verhandlung zurückweist, ist die (einfache) Beschwerde nach § 567 ZPO das zulässige Rechtsmittel.

2. Über die Beschwerde kann gemäß §§ 573 ZPO, 53 Abs. 1 ArbGG analog ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein entschieden werden.

3. Für eine Unterlassungsverfügung betreffend die Umsetzung eines eine Betriebsänderung beinhaltenden Betriebs- und Personalkonzepts fehlt es sowohl an einem Verfügungsanspruch wie am Verfügungsgrund. Der Verfügungsanspruch fehlt, weil §§ 111 ff BetrVG für den Betriebsrat keinen Anspruch auf Herbeiführung eines Interessenausgleichs begründen. Der Verfügungsgrund ist zu verneinen, weil die aus einer Unterlassung der Verhandlungen über einen Interessenausgleich resultierenden Ansprüche betroffener Arbeitnehmer gesetzlich gemäß § 113 BetrVG garantiert sind und die §§ 111113 BetrVG als abschließende gesetzliche Regelung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats betreffend einem Interessenausgleich anzusehen sind.

 

Normenkette

ArbGG § 78; ZPO §§ 573-574; ArbGG analog § 53 Abs. 1; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940; BetrVG §§ 111, 113

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 23.08.1995; Aktenzeichen 4 BV Ga 9/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.8.1995 – 4 BV Ga 9/95 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligte zu 2) führt einen Kurierdienst mit derzeit 11 Regionalniederlassungen im gesamten Bundesgebiet. Der Beteiligte zu 1) ist der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens. Mit seiner am 23.8.1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragschrift vom 22.8.1995 begehrt der Beteiligte zu 1) die Unterlassung der Umsetzung geplanter Betriebs- und Personalkonzepte aufgrund der Reduzierung des Reisegepäckgeschäftes.

Der Beteiligte zu 1) sieht in diesen beabsichtigten Maßnahmen Betriebsänderungen i.S.d. § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG.

In den regionalen Niederlassungen seien jeweils mehr als 20 wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt. Vom Gesamtpersonalbestand der jeweiligen regionalen Niederlassungen sei jeweils beabsichtigt, mehr als 10 % des Belegschaft abzubauen und dabei die Abteilungen „Umschlag”, „Dispositionen und Einsatzleitung”, „Qualitätssicherung” zu reduzieren und Reduzierungen bei den Kundendienstmitarbeitern vorzunehmen. Hinzu komme, daß die Maßnahmen nicht ausschließlich im Personalabbau bestünden, sondern auf einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit beruhten, da die Stückzahl der erledigten Aufträge des zu befördernden Reisegepäckvolumens, welches ca. 50 % des Gesamtsendevolumens ausmache, um 85 % zurückgenommen werde. Für die Verhandlungen über einen Interessenausgleich sei der Beteiligte zu 1) zuständig, da die vorgesehenen Maßnahmen auf einem Gesamtkonzept für das Unternehmen beruhten. Das eingeleitete Verfahren diene der Sicherung der Beteiligungsrechte der §§ 111 ff BetrVG i.V.m. § 50 Abs. 1 BetrVG.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

der Beteiligten zu 2) bei Meidung eines Ordnungsgeldes, welches in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aufzugeben, die Umsetzung der aufgrund der Reduzierung des „Reisegepäckgeschäftes” geplanten Betriebs- und Personalkonzepte in den Regionalniederlassungen Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig, Karlsruhe, München und Nürnberg zu unterlassen, insbesondere die Reduzierung des Personals in den Regionalniederlassungen in den Abteilungen „Umschlag” auf zwei Mitarbeiter, den Abteilungen „Qualitätssicherung” auf einen Mitarbeiter und den Abteilungen „Disposition und Einsatzleitung” auf drei Mitarbeiter sowie die Zuweisung veränderter Tätigkeiten an die Kundendienstmitarbeiter.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag unter dem 23.8.1995 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, daß ein Unterlassungsbegehren im geltend gemachten Sinne den gesetzgeberischen Vorstellungen, wie sie in § 111 ff BetrVG ihren Niederschlag gefunden haben, zuwiderlaufe. Ein Interessenausgleich sei im Einigungsstellenverfahren nicht erzwingbar. Der Betriebsrat habe nicht einmal einen Anspruch auf Einhaltung eines vereinbarten Interessenausgleichs. Bei einer Abweichung von einem Interessenausgleich kämen nur individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer in Betracht. Mit diesen Festlegungen sei es unvereinbar, eine selbständig einklagbare Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers auf Unterlassung einseitiger Maßnahmen anläßlich einer Betriebsänderung zu konstruieren.

Aus diesen Gründen verbiete sich auch eine Übertragung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3.5.1994 (EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36) zum Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nach §...

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