Entscheidungsstichwort (Thema)

Stellenbesetzung durch den öffentlichen Arbeitgeber. Ausgestaltung des Auswahlverfahrens bei der Stellenbesetzung. Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung bei der Stellenbesetzung. Schadensersatz als Sekundäranspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll, entscheidet der öffentliche Arbeitgeber in Ausübung seiner Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Die Schaffung und Besetzung von Planstellen dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des öffentlichen Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten.

2. Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens muss dem grundgesetzlich verbürgten Bewerbungsverfahrensanspruch Rechnung tragen und darf dessen Inanspruchnahme nicht vereiteln oder unangemessen erschweren. Der öffentliche Arbeitgeber darf seine Organisationsgewalt nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zulasten einzelner Bewerber zu steuern.

3. Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen.

4. Durch einen rechtswidrigen Abbruch der Stelle wird deren Besetzung nicht unmöglich. Der Schadenersatzanspruch entsteht als Sekundäranspruch erst dann, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch als Primäranspruch erloschen ist und der Bewerber damit nicht mehr verlangen kann, auf die ausgeschriebene Stelle gesetzt zu werden.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; TzBfG § 9; BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2; LGG NRW § 17 Abs. 1 S. 2; LPVG NRW § 72; HG NRW § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 19.10.2021; Aktenzeichen 2 Ca 1097-19)

ArbG Münster (Entscheidung vom 02.07.2020)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 19.10.2021 - 2 Ca 1097/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Abbruch eines Auswahlverfahrens und hilfsweise dessen Fortsetzung.

Er ist bei der Beklagten seit April 2006, zuletzt mit einer Viertelstelle in der Entgeltgruppe 13 beschäftigt und Mitglied des Personalrats. Im April 2017 stellte er einen Antrag nach § 9 TzBfG auf Aufstockung seiner Teilzeitstelle.

Im Jahr 2018 schrieb die Beklagte die Stelle eines Wissenschaftlichen Geschäftsführers am A (A) mit der Entgeltgruppe 14 aus.

Die Stellenausschreibung lautet soweit hier von Interesse wie folgt:

"Das A (A) ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund der Westfälischen B (B) C, der sich der Erforschung des religiösen Wandels in modernen Gesellschaften widmet (...).

Zu den Aufgaben der Wissenschaftlichen Geschäftsführung des A gehören:

- die Leitung der Geschäftsstelle

- eigenständige Forschung und Lehre

- die Mitarbeit bei der Konzeption, Beantragung, Koordination und Durchführung von Veranstaltungen, Publikationen, Kooperationen und Forschungsprojekten

- die Personal- und Finanzadministration

- die Unterstützung des Dialogs mit der Öffentlichkeit (u.a. die Gestaltung und Betreuung der Homepage)

- die Koordination der im Auftrag des A herausgegebenen Schriftenreihe ,Religion und Moderne' (D, E .)

Zu den Bewerbungsvoraussetzungen gehören:

- eine sehr gute thematisch einschlägige Promotion in einem der im A vertretenen Fächer

- ein (u.a. durch Publikationen und/oder eigene Forschungsprojekte ausgewiesenes) Interesse am Spannungsverhältnis von Religion und Moderne, Religion und Politik sowie religiöser Pluralität

- nach Möglichkeit Erfahrungen bei der Einwerbung von Drittmitteln und mehrjährige Berufserfahrung in der interdisziplinären Zusammenarbeit und in der Hochschulverwaltung

- ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Eigeninitiative sowie Organisations,- Kommunikations- und Teamfähigkeit.

- nach Möglichkeit Kenntnisse in SAP

- sehr gute Englischkenntnisse"

Auf die Auswahlentscheidung bewarben sich neben dem Kläger sieben weitere Männer und eine Frau. Zwei Bewerber und die Bewerberin erfüllten nicht die Anforderungen des Stellenprofils und wurden, anders als die übrigen Bewerber, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Auswahl entfiel auf den Bewerber F. . Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die Stellenbesetzung zu unterlassen, bis in der Hauptsache über das Stellenbesetzungsverfahren rechtskräftig entschieden worden ist, hatte vor dem Arbeitsgericht Münster Erfolg (ArbG Münster vom 21.05.2019 - 2 Ga 7/19).

Mit seiner Klageschrift vom 26.07.2019 hat der Kläger im hiesigen Verfahren zunächst geltend gemacht, dass ihm, als dem am besten geeigneten Bewerber, die Stelle zu übertragen sei.

Die Bek...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge