Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Kürzung des Urlaubsanspruch bei Inanspruchnahme von Elternzeit. Auslegung der Kürzungserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Die gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG bestehende Möglichkeit für den Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Inanspruchnahme von Elternzeit zu kürzen, verstößt nicht gegen europarechtliche Vorgaben.

Die Auslegung der Kürzungserklärung als einseitiger rechtsgeschäftlicher Willenserklärung folgt allgemeinen Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 157, 133 BGB.

 

Normenkette

BEEG § 17 Abs. 1 S. 1; Richtlinie 2010/18/EU § 5 Abs. 2; Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; EGRL 98/23 § 4 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 25.09.2017; Aktenzeichen 6 Ca 2366/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.09.2017 - 6 Ca 2366/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu formuliert:

Die Beklagte wird verurteilt für das Jahr 2016 Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.916,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 an die Klägerin zu zahlen und darüber eine Abrechnung zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im beendeten Arbeitsverhältnis um die Kürzung des Urlaubsanspruchs aus Anlass der Inanspruchnahme von Elternzeit. Die Klägerin begehrt noch die Urlaubsabgeltung für 17,5 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 sowie 30 Urlaubstage aus 2016.

Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis als Pflegedienstleitung zu einem Bruttomonatsverdienst von 2.828,55 € und einem Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen in der Fünf-Tage-Woche.

Die Klägerin befand sich vom 24.03.2015 bis zum 24.03.2017 in Elternzeit.

Im Schreiben vom 23.04.2015 der Beklagten an die Klägerin, auf das im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 24 d. A.) heißt es:

"[...]

Den von Ihnen gewünschten Zeitraum der Elternzeit vom 24.03.2015 - 23.03.2017 bewilligen wir Ihnen gerne.

Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2015 beläuft sich auf 12,5 Tage, das entspricht 100 Stunden. Die Hälfte der Urlaubsstunden haben wir Ihnen mit Monat März abgerechnet, den Rest zahlen wir Ihnen mit der nächsten Abrechnung aus.

[...]"

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit ordentlich zum 30.04.2017. Nach Rückkehr aus der Elternzeit war die Klägerin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.05.2017 machte die Klägerin Urlaubsabgeltung für 30 Tage 2016 (3.916,50 € brutto) und anteilige zehn Tage 2017 (1.305,84 € brutto) abzüglich der gezahlten 490,50 € brutto, mithin insgesamt 4.731,98 € brutto geltend. Die Beklagte zahlte weitere 815,34 € brutto, mithin insgesamt die Forderung für das Jahr 2017.

Mit der am 04.07.2017 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.916,50 € brutto für das Jahr 2016 und mit Klageerweiterung vom 10.08.2017 Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 für 17,5 Tage x 130,55 € brutto = 2.284,63 € brutto geltend.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe zu keiner Zeit eine Kürzungserklärung abgegeben, insbesondere nicht durch mündliche Erklärungen des Ehemannes der Beklagten. Eine behauptete Erklärung nach Mitteilung der Schwangerschaft sei fernliegend, da ihr Kind zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren gewesen sei.

Auch die Klägerin habe in ihrer Eigenschaft als Pflegedienstleitung nie Kürzungserklärungen für die Beklagte abgegeben. Eine Mitarbeiterin T als behauptete Empfängerin einer solchen Erklärung durch sie sei ihr nicht bekannt.

Sie hat die Ansicht vertreten, das Schreiben der Beklagten vom 23.04.2015 sei nicht als Kürzungserklärung zu verstehen. Durch dieses Schreiben solle der anteilige Jahresurlaub bis zum Beginn der Elternzeit abgegolten werden. Hieraus lese die Klägerin nicht, dass der Urlaub im Übrigen gekürzt werden solle.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.916,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 zu zahlen und eine Lohnabrechnung zu erteilen,
  2. die Beklagte zur verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 in Höhe von 2.284,63 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen und bei Zahlung eine Abrechnung darüber zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, im Betrieb der Beklagten sei wiederholt und fortwährend kommuniziert worden, dass Ansprüche auf Urlaub während der Elternzeit entsprechend gekürzt werden. Diese Erklärung sei ausdrücklich auch gegenüber der Klägerin abgegeben worden. Nach den langen Jahren des Laufs des Arbeitsverhältnisses könne ein konkretes Datum nicht mehr vorgetragen werden. Sie stelle aber unter Zeugenbeweis durch ihren Ehe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge