Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters, wenn die geplante Betriebsfortführung scheitert und Masseunzulänglichkeit angezeigt wird

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 InsO kommt nicht in Betracht, wenn sie darauf gestützt wird, der Insolvenzverwalter habe es unterlassen, Arbeitnehmer rechtzeitig vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit freizustellen.

2. Die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis ist keine Rechtshandlung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

3. Eine Haftung des Insolvenzverwalters wegen verspäteter Anzeige der Masseunzulänglichkeit scheidet aus, wenn dieser zur Abarbeitung bestehender Aufträge aufgrund eines hinreichend fundierten Finanzplans die Fortführung des Betriebes bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entschieden hat.

 

Normenkette

InsO §§ 60-61, 103, 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1396/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15.10.2008 – 1 Ca 1396/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten persönlich auf Schadensersatz in Anspruch, weil dieser es als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E1 GmbH, Am K2 2, 32545 B2 O1 versäumt habe, sie trotz vorhersehbarer Masseunzulänglichkeit von der Arbeit freizustellen.

Über das Vermögen der Firma E1 K3-GmbH ist am 30.11.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Bei Insolvenzeröffnung waren bei der Insolvenzschuldnerin, die sich mit der Herstellung von Kunststoffprodukten wie Kämmen, Sonnenbrillen und Zahnputzbechern befasste, noch 78 Arbeitnehmer beschäftigt.

Nachdem die Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Betriebsrat bezüglich einer vom Beklagten beabsichtigten Betriebsstilllegung am 18.12.2006 vor der Einigungsstelle gescheitert waren, kündigte der Beklagte die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter zum 31.03.2007. Zuvor hatte der Beklagte nach Behauptung der Klägerin auf einer am 13.12.2006 stattgefundenen Betriebsversammlung erklärt, dass er wegen noch abzuarbeitender Aufträge keine Mitarbeiter freistellen wollen, um die Löhne in voller Höhe garantieren zu können.

Die Klägerin arbeitete bei der Insolvenzschuldnerin bis zum 29.01.2007. Am 26.01.2007 zeigte der Beklagte die Unzulänglichkeit der Masse an.

Mit ihrer am 28.08.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 28.01.2007, welches sie bei rechtzeitiger Freistellung durch den Beklagten in unstreitiger Höhe von 652,12 EUR erhalten hätte.

Die Klägerin meint, der Beklagte hätte rechtzeitig erkennen können, dass die Masse voraussichtlich zur Zahlung der Löhne nicht ausreiche und sie daher von der Arbeit freistellen müssen.

Der Beklagte trägt vor, er habe ihm Rahmen der dreimonatigen Abwicklung bis zum Ausscheiden der Arbeitnehmer die noch offenen Restaufträge abarbeiten wollen, um eine ordnungsgemäße Abwicklung und schrittweise Stilllegung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin zu gewährleisten. Am 18.12.2006 habe er zusammen mit dem Wirtschaftsprüfer und dem Mitarbeiter S3 die Planzahlen für das kommende Jahre 2007 errechnet und geprüft. Bei realistischer Einschätzung der zu erwartenden Geschäftsentwicklung sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Betrieb der Schuldnerin für einen Zeitraum von drei Monaten noch hätte fortgeführt werden können. Seinerzeit sei nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Prognose im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15.10.2008 nach Vernehmung des Zeugen S3 zur Frage der Erstellung des Finanzplans vom 18.12.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein auf § 61 InsO gestützter Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Es sei schon zweifelhaft, ob die tatsächliche Inanspruchnahme der Arbeitsleistung der Klägerin als Rechtshandlung im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sei, weil es sich lediglich um die Erfüllung des Arbeitsvertrages gehandelt habe. Da außerdem kein Anspruch der Klägerin auf Freistellung bestehe, sei der Nachweis einer pflichtwidrig unterlassenen Freistellung nicht gegeben. Ebenso wenig könne die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch erfolgreich auf § 60 InsO wegen verspäteter Anzeige der Massenunzulänglichkeit stützen. Nach Vernehmung des Zeugen S3 stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte den vorgelegten Finanzplan am 18.12.2006 zusammen mit dem Zeugen S3 erstellt habe. Deshalb müsse von einer ordnungsgemäßen Planung ausgegangen werden. Warum der Beklagte nicht mit einer gesicherten Materialbeschaffung habe rechnen müssen, habe die Klä...

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