Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 61 Satz 1 InsO ist der Insolvenzverwalter einem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, nicht voll erfüllt werden kann. Zwingende Voraussetzung des § 61 Satz 1 InsO ist, daß die Masseverbindlichkeit, für deren Erfüllung der Insolvenzverwalter haften soll, durch eine ihm zuzurechnende „Rechtshandlung” begründet worden ist.

  1. Aus § 61 Satz 1 InsO haftet der Insolvenzverwalter nur, aber immer dann, wenn er Masseverbindlichkeiten aufgrund vorwerfbar unzutreffender Einschätzung des Masseumfangs eingeht. Die Haftung nach § 61 Satz 1 InsO gilt jedoch nicht für die sog. Altmassegläubiger, sondern beschränkt sich auf die sog. Neumassegläubiger, die überhaupt erst durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters zu Massegläubigern werden.
  2. Der Insolvenzverwalter haftet nach § 61 Satz 1 InsO nicht für die Nichterfüllung der ohne sein Zutun entstandenen, „aufgezwungenen” (oktroyierten) Masseverbindlichkeiten, auf deren Entstehen und Höhe der Insolvenzverwalter keinerlei Einfluß hat. Hierunter fallen die Entgelt- und Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer, die der Insolvenzverwalter zum frühestmöglichen Kündigungstermin gekündigt, aber nicht mehr eingesetzt, sondern von der Arbeit freigestellt hat.

2. Für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten haftet der Insolvenzverwalter gegenüber Dritten nach § 60 Abs. 1 InsO, für die schuldhafte Verletzung nichtinsolvenzspezifischer Pflichten dagegen nach allgemeinem Recht. In Betracht kommen hier vor allem die deliktsrechtlichen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB, Verschulden bei Vertragsschluß (c.i.c. = § 311 Abs. 2 BGB n.F.) sowie Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und positive Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB n.F.).

 

Normenkette

InsO §§ 60-61

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 20.03.2003; Aktenzeichen 6 Ca 2666/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.03.2003 (6 Ca 2666/02) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 19.370,80 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten im Rahmen der Insolvenzverwalterhaftung unmittelbar in Anspruch.

Der Kläger war bei der Fa. K.W.U.in Fröndenberg als Produktionsbereichsleiter für die Lohnverzinkung und für den Vertrieb der Lohnverzinkungsprodukte zu einem Monatsbruttolohn in Höhe von 9.500,00 DM beschäftigt. Am 02.07.2001 stellte sein Arbeitgeberin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und stellte den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.08.2001 eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hielt die Freistellung des Klägers aufrecht. Im Betrieb wurde zunächst weiterhin wenn auch in geringem Umfang verzinkt. Masseunzulänglichkeit wurde angezeigt. Seit dem 01.12.2001 wurden keine Verzinkungsarbeiten mehr durchgeführt und fanden nur noch Aufräumarbeiten durch wenige Mitarbeiter statt.

Gegen die Freistellung wehrte sich der Kläger in dem Verfahren 8 Ca 5068/01 beim Arbeitsgericht Dortmund. Die Klage wurde am 05.12.2001 abgewiesen. Die später unter Aktenzeichen 2 Sa 282/02 eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger den beklagten Insolvenzverwalter zunächst als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldnerin und persönlich auf Vergütungszahlung für den Freistellungszeitraum (01.08.2001 bis einschließlich 30.11.2001) und auf das 50%-ige Urlaubsgeld und das 60%-ige Weihnachtsgeld in Anspruch genommen. Soweit sich die Klage auf die Vergütungsansprüche gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter bezog, ist im Kammertermin am 19.09.2002 ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, daß der Kläger grundsätzlich Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 01.08.2001 bis zum 31.03.2002 unter Berücksichtigung der übergegangenen Ansprüche Dritter gegen die Insolvenzmasse hat.

Mit der noch anhängigen Klage gegen den Insolvenzverwalter verfolgt der Kläger im Wege der Leistungsklage seine Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzverwalterhaftung der §§ 60, 61 InsO gegen den Beklagten persönlich weiter.

Er hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden sei, daß er zu Unrecht von der Arbeitsleistung freigestellt worden ist. Wäre er nicht freigestellt worden, so wären seine Anspräche aus der tatsächlichen Tätigkeit im Zeitraum vom 01.08.2001 bis zum 30.11.2001 keine nachrangigen Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO gewesen, sondern vorrangige Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO, die ihm auch unmittelbar zugeflossen wären.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilten, an den Kläger

  1. 4.857,27 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von...

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