Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehinderung. Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch. Anforderungsprofil. offensichtlich fehlende Eignung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Beurteilung der Eignung bzw. der „offensichtlichen Nichteignung” ist auf diejenigen Anforderungsmerkmale abzustellen, die sich aus dem Text der Stellenausschreibung selbst ergeben.

2. Mit dem Anforderungsmerkmal in einer Stellenausschreibung „vergleichbare Qualifikation” soll der Umstand berücksichtigt werden, dass ein Bewerber aufgrund individueller Umstände – z. B. einer im Ausland absolvierten Ausbildung, aufgrund langjähriger beruflicher Tätigkeit oder häuslicher Studien – über dieselben bzw. gleichwertige fachliche Kenntnisse verfügt, wie sie üblicherweise durch die genannten Ausbildungsgänge erworbenen werden.

 

Normenkette

AGG § 15; SGB IX § 82

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 23.11.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1404/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 07.02.2012; Aktenzeichen 8 AZA 20/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 23.11.2010 – 4 Ca 1404/10 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage nimmt der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger das beklagte Jobcenter H1 auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 AGG mit der Begründung in Anspruch, entgegen der Vorschrift des § 82 SGB IX habe die Beklagte ihn auf sein Bewerbungsschreiben vom 20.02.2010 nicht zu einem Vorstellungsgespräch – betreffend die ausgeschriebene Stelle eines Arbeitsvermittlers – eingeladen.

Der Text des Stellenangebots lautet, soweit von Belang, wie folgt:

Bei der ARGE – Kreis H1 sind, vorerst befristet für ein Jahr, zwei Stellen als Arbeitsvermittler/in zu besetzen. Voraussetzung für eine Einstellung ist

  1. Laufbahnprüfung für den gehobenen nicht technischen Verwaltungsdienst,
  2. zweite Angestelltenprüfung in der kommunalen/öffentlichen Verwaltung,
  3. betriebswirtschaftlicher oder kaufmännischer (Fach-) Hochschulabschluss oder
  4. vergleichbare Qualifikation.

Bewerber/innen, die über Kenntnisse aus der Arbeitsvermittlung und/oder der Gewährung von Sozialleistungen verfügen, werden bevorzugt berücksichtigt. Zu den Aufgaben der Arbeitsvermittlung gehört neben der Integration der Leistungsbezieher in Erwerbstätigkeit auch deren Beratung in schwierigen Lebenssituationen und in sozialleistungsrechtlichen Fragen. Kenntnisse im Rehabilitationsrecht sind erwünscht.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger hat zunächst die Abschlussprüfung als Geselle im Maschinenbauerhandwerk abgelegt und sodann im Jahre 1990 nach Besuch der Höheren M1schule B1 den Abschluss als staatlich geprüfter Techniker, Fachrichtung Maschinenbautechnik erworben. Anschließend war er bis zum 14.12.1995 bei der Firma R1 Maschinenfabrik als Mühlenbautechniker tätig. Im Jahre 1993 legte der Kläger die Teile III und IV der Meisterprüfung für das Maschinenbaumechaniker-Handwerk ab und wurde von Teil II der Prüfung (fachtheoretische Kenntnisse) befreit. Teil I (praktische Prüfung) hat der Kläger nicht erfolgreich absolviert.

Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund gesetzeswidrig unterbliebener Einladung zum Vorstellungsgespräch werde eine Diskriminierung wegen Behinderung vermutet. Demgegenüber macht die Beklagte geltend, es habe keine Notwendigkeit bestanden, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da ihm als ausgebildeter Techniker die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehle. Im Übrigen scheitere das Klagebegehren ohnehin an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten. Ausweislich der Stellenanzeige erfolge die Einstellung entweder über die Bundesagentur für Arbeit oder den Kreis H1, nicht jedoch durch die beklagte Einrichtung. Allein die Mitwirkung der Beklagten bei der Auswahlentscheidung von Bewerbern ändere nichts daran, dass die Folgen etwaiger Fehler im Einstellungsverfahren allein die Partei treffen könnten, mit welcher ein Arbeitsvertrag zustande kommen solle.

Durch Urteil vom 23.11.2010 (Bl. 104 ff. der Akte), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts und der Fassung der Anträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, unabhängig von der Frage der Passivlegitimation der Beklagten scheide der verfolgte Entschädigungsanspruch schon deshalb aus, da keine Verpflichtung bestanden habe, den Kläger gemäß § 82 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dem Kläger erfülle nämlich offensichtlich nicht die in der Stellenausschreibung genannten Eignungsanforderungen. Soweit in der Stellenbeschreibung von einer „vergleichbaren Qualifikation” die Rede sei, orientiere sich die Vergleichbarkeit an den konkret genannten Ausbildungsabschlüssen. Diesen sei gemein, dass im Rahmen der Ausbildung umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt würden. Die vom Kläger im Rahmen seiner Ausbildung erworbenen Kenntnisse seien hiermit nicht vergleichbar. Soweit in Stellena...

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