Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung des Rechtswegs in der Berufungsinstanz. Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Urlaubsanspruch eines Geschäftsführers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Berufungsgericht prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg und die Verfahrensart zulässig sind.

2. Einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu, den der Arbeitgeber nur erschüttern kann, wenn er begründete Zweifel an der Richtigkeit der ausgestellten Bescheinigung darlegen und im Bestreitensfall beweisen kann. Gelingt ihm dies, trifft den Arbeitnehmer eine erweiterte Darlegungslast zu den Ursachen seiner Arbeitsunfähigkeit.

3. Da ein Geschäftsführer nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fällt, kann er keinen Urlaubsanspruch aus dem BUrlG geltend machen. Steht ihm ein vertraglicher Urlaubsanspruch zu, führt dieser auch zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn der Geschäftsführer den Urlaub wegen vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr in Anspruch nehmen konnte.

 

Normenkette

ArbGG § 65; BGB § 630; BUrlG §§ 7, 5; ArbGG §§ 5, 48; GVG § 17a; EFZG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Entscheidung vom 13.11.2020; Aktenzeichen 2 Ca 705/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.11.2020 - 2 Ca 705/20 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor bezüglich Ziff. 1) des Urteils wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.507,44 € brutto zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2019 abzüglich an die BKK A zu zahlender 3.897,60 € netto zu zahlen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Entgeltfortzahlung, einer Urlaubsabgeltung und Erteilung eines Zeugnisses.

Die Beklagte hatte die Klägerin zunächst vor dem Amtsgericht Minden - 20 C 87/20 -auf Rückzahlung einer Tantieme verklagt. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte die Klägerin Widerklage erhoben, welche vom Amtsgericht Minden abgetrennt und an das Arbeitsgericht Minden als zuständiges Gericht verwiesen wurde. Dieser Beschluss wurde bestandskräftig. Die Klägerin hat sodann in der Folge ihre Anträge umgestellt und die Klage erweitert. Ein ausdrücklicher Verweisungsantrag der Beklagten an das Arbeitsgericht, den Rechtsstreit wiederum an die Zivilgerichtsbarkeit zu verweisen mit Schriftsatz vom 12.11.2020 (Bl. 162 f. d.A.) wurde nicht ausdrücklich beschieden.

Die Klägerin ist seit dem 01.07.1993 zunächst als Arbeitnehmerin bei der B und dann ab dem 19.04.2012 bei der Beklagten zuletzt auf der Grundlage des Geschäftsführervertrages vom 26.05.2016 (Bl. 71 - 77 d. A.) tätig. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug 6.454,00 €.

Das Arbeitsverhältnis wurde wie folgt durch Vereinbarungen der Parteien (Anlagen K 1 zur Berufungserwiderung Bl. 238 - 275 d.A.) gestaltet:

- Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der B-Gesellschaft GmbH C vom Juli 1993

- Neufassung dieses Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und der B-Gesellschaft GmbH C vom 04.10.2006

- Neufassung des Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und der B-Gesellschaft GmbH C vom 23.06.2012

- Aufhebung des zwischen der Klägerin und der B-Gesellschaft GmbH C bestehenden Arbeitsvertrags vom 23.06.2012 durch Aufhebungsvereinbarung vom 28.02.2015 zum 31.12.2014.

Weiterhin bestanden folgende Verträge zwischen der Klägerin und der beklagten B-Gesellschaft GmbH D:

- nach Berufung zur Geschäftsführerin: Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-Gesellschaft GmbH D vom 03.03.2012 mit Wirkung ab 01.04.2012

- gleichzeitig bestand mit der B-Gesellschaft GmbH C nach wie vor ein Anstellungsvertrag, der zuletzt am 23.06.2012 neu gefasst wurde. Die Klägerin war ohne Unterbrechung in der Geschäftsstelle in F tätig

- Neufassung des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten B-Gesellschaft GmbH D vom 19.04.2013 mit Wirkung ab 01.05.2013

- Neufassung des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten B-Gesellschaft GmbH D vom 10.11.2015

- Neufassung des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten B-Gesellschaft GmbH D vom 26.05.2016

- Tantiemevereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten B-Gesellschaft GmbH D über die Zahlung einer Tantieme auf der Bemessungsgrundlage des Ergebnisses der B-Gesellschaft GmbH C für die Geschäftsstelle F

- Abschluss einer Honorarvereinbarung zwischen der B-Gesellschaft GmbH D (Beklagte) und der B-Gesellschaft GmbH C über die Zurverfügungstellung der Klägerin als Arbeitnehmerin in der Geschäftsstelle F vom 26.10.2018

Im September 2019 legte die Klägerin das Amt als Geschäftsführerin der Beklagten nieder. Aus dem Handelsregister (Bl. 45 f., 39 der Akte) wurde die Klägerin zum 17.09.2019 als Geschäftsführerin ausgetragen. Das Vertragsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Kläg...

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