Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Unwirksamkeit der Kündigung bei fehlerhafter Massenentlassungsanzeige, wenn ein Bescheid der Arbeitsverwaltung gemäß § 18 Abs. 1 KSchG vorliegt. Rüge fehlerhafter Massenentlassunganzeige. Verwaltungsbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Kündigung ist trotz fehlerhafter Massenentlassungsanzeige nicht unwirksam, wenn ein Bescheid der Arbeitsverwaltung gem. § 18 Abs. 1 KSchG vorliegt.

 

Normenkette

KSchG § 17 Abs. 3 S. 2, §§ 18, 20; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 27.11.2001; Aktenzeichen 2 Ca 1002/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.11.2001 – 2 Ca 1002/01 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht mit seiner am 16.02.2001 beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage die Unwirksamkeit der von dem Beklagten mit Schreiben vom 26.01.2001 wegen Einstellung des Geschäftsbetriebes ausgesprochenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2001 geltend.

Der Kläger war bei der in H2. ansässigen Firma D1. M2. & B3. GmbH seit dem 09.06.1979 zuletzt als stellvertretender Abteilungsleiter der Buchbinderei gegen eine Vergütung von 6.200,00 DM brutto tätig. Über das Vermögen der genannten Firma wurde am 01.12.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 23.01.2001 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit beigefügter Namensliste, in dem es unter Ziffer 3 „Betriebsschließung” heißt, dass der Betrieb aufgrund der Insolvenz spätestens zum 31.01.2001 stillgelegt und gegenüber allen Mitarbeitern bis zum 31.01.2001 die Kündigung im Rahmen der individuellen ordentlichen Kündigungsfristen ausgesprochen werde. Diese Regelung wird in Ziffer 3 des ebenfalls am 23.01.2001 geschlossenen Sozialplans wiederholt. Weiter heißt es dort unter 3.2:

„Die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit sämtlichen Sozialdaten, wie am 04.01.2001 zusammengestellt, ist dem Betriebsrat übergeben worden (Anlage). Damit gilt das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG als eingeleitet.”

In Ziffer 5 des Sozialplans ist niedergelegt, dass der Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG informiert wurde.

Mit Schreiben vom 26.01.2001 teilte der Betriebsratsvorsitzende dem Beklagten folgendes mit:

„Betr.: Interessenausgleich und Sozialplan

Bezug: Anhörung gem. § 102 BetrVG

Sehr geehrter Herr B1.,

in Anbetracht der bevorstehenden Betriebsstillegung sieht der Betriebsrat keine Möglichkeit den beabsichtigten Kündigungen aller Arbeitnehmer It. Namensliste zum Interessenausgleich/Sozialplan zu widersprechen.

Unter Zurückstellung aller Bedenken und ausschließlich vor dem Hintergrund die beabsichtigten Kündigungen noch im Monat Januar 2001 aussprechen zu können und damit zugleich Masse für den Sozialplan zu erhalten, hat der Betriebsrat den beabsichtigten Kündigungen zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

B9.

H4.

den

26.1.2001

Betriebsratsvorsitzender”

Am 26.01.2001 erstattete der Beklagte gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt B7. die Anzeige von Massenentlassungen gemäß § 17 KSchG unter Aufschlüsselung der insgesamt 64 betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Danach sollten zum 28.02.2001 elf Arbeitarbeitnehmer, zum 31.03.2001 weitere drei Arbeitnehmer und schließlich 50 Arbeitnehmer zum 30.04.2001 entlassen werden. Beigefügt war die mit dem Betriebsrat vereinbarte Namensliste und die Stellungnahme des Betriebsrats vom 26.01.2001. Die im Antragsformular vorgesehenen Angaben zur Unterrichtung des Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG wurden nicht angekreuzt.

Erst in der Berufungsinstanz hat der Beklagte den dazu ergangenen Bescheid des Arbeitsamtes vom 05.03.2001 vorgelegt. Darin heißt es:

„…

der gemäß § 20 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beim Arbeitsamt B7. bestehende Ausschuss für anzeigepflichtige Entlassungen hat in der seiner Sitzung am 23.02.01 folgende Entscheidung getroffen:

Gemäß § 18 Abs. 1 KSchG wird für die Entlassung von 11 Arbeitnehmern zum 28.02.01 und 50 Arbeitnehmern zum 30.04.01 die Sperrfrist auf die Zeit vom 01.02.01 bis 28.02.01 festgesetzt.

Für die Entlassung von 3 Arbeitnehmern zum 31.01.01 besteht keine Anzeigepflicht.

Ihrem Antrag auf Abkürzung der Sperrfrist wurde nicht entsprochen.”

Der Kläger hält die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Er rügt die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats und macht geltend, der Beklagte habe dem Arbeitsamt die Massenentlassung nicht ordnungsgemäß angezeigt. Es fehle die Stellungnahme des Betriebsrats zur Unterrichtung über die Massenentlassung. Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG genüge nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Aussage des bei...

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