Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Beschäftigungszeit bei einem anderen Arbeitgeber auf die Frist des § 1 Abs. 1 KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist nicht konzernbezogen ausgestaltet, sondern bezieht sich auf die Beschäftigungszeit in einem Unternehmen. Das Erfordernis des ununterbrochenen rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit ist danach auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums ohne zeitliche Unterbrechung in einem anderen Betrieb des gleichen Unternehmens weiterbeschäftigt wird. Die bei einem anderen rechtlich selbstständigen Unternehmen zurückgelegte Beschäftigungszeit kann jedoch nicht ohne Weiteres auf die Beschäftigungszeit beim kündigenden Arbeitgeber angerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Konzernunternehmen handelt, die selbstständig sind. Die Anrechnung der bei einem anderen Konzernunternehmen zurückgelegten Betriebszugehörigkeit auf die Wartezeit ist nur möglich, wenn die Parteien eine Anrechnungsvereinbarung treffen, die allerdings auch stillschweigend geschlossen werden kann. Ob hiervon auszugehen ist, ist im Einzelfall durch Auslegung der Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen 3 Ca 377/08)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 2 AZN 948/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.07.2008 – 3 Ca 377/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Kündigung.

Der Kläger war seit dem 18.01.1993 zunächst bei dem Kreisverband S4 und in der Folge nach einer Fusion beim Unterbezirk M2-S4 der A1 beschäftigt. Beim Unterbezirk M2-S4 der A1 handelt es sich um einen nicht rechtsfähigen Verein. Der Arbeitsvertrag, der dem Arbeitsverhältnis des Klägers beim Unterbezirk M2-S4 der A1 zugrunde lag, ist bisher nicht gekündigt worden.

Mit Schreiben vom 21.06.2007 teilte der Beklagte, bei dem es sich um einen eingetragenen Verein handelt, dem Kläger folgendes mit:

Sehr geehrter Herr G1,

wir nehmen Bezug auf Ihre Bewerbungsunterlagen und teilen Ihnen mit, dass wir zzt. noch nach einer Einsatzmöglichkeit für Sie suchen.

Die Einrichtungsleiterin des Seniorenzentraums in I1, Frau S5, wird sich in Kürze telefonisch mit Ihnen in Verbindung setzen.

Unter dem Datum des 19.11.2007 richtete der Kläger folgendes Schreiben an das Seniorenzentrum I1, das vom Beklagten betrieben wird:

Bewerbung als Sachbearbeiter in der Verwaltung

Sehr geehrte Frau S5,

gern würde ich bei Ihnen in einem sympathischen und aufgeweckten Team im Bereich der Verwaltung tätig sein (32 Stundenstelle).

Mit meinen beruflichen gesammelten Erfahrungen bin ich sicher, bei Ihnen einen verwaltungsvollen Arbeitsplatz, an dem ich meine Fähigkeiten einsetzen kann, zu finden.

Meine besondere Stärke liegt im Umgang mit Zahlen.

Da ich trotz meiner Behinderung (Querschnittslähmung) einen eigenen PKW fahre, bin ich in meiner Mobilität nicht eingeschränkt.

Auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen

Mit Datum vom 21.11.2007 leitete der Beklagte das Mitbestimmungsverfahren zur Einstellung des Klägers nach § 99 BetrVG ein. Wegen der Einzelheiten des dem Betriebsrat vorgelegten Formulars wird auf Bl. 143 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat erteilte mit Datum vom 22.11.2007 seine Zustimmung zu der vom Beklagten geplanten personellen Einzelmaßnahme.

Mit Wirkung vom 01.12.2007 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis gem. § 14 Abs. 2 TZBfG. Wegen der Erklärungen des Klägers vom 29.11.2007 und wegen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tage wird auf Bl. 53 und Bl. 151 d.A. Bezug genommen.

Seit dem 01.12.2007 war der Kläger als Verwaltungsangestellter im Seniorenzentrum in I1 tätig, das vom Beklagten betrieben wird. Er wurde dort an 32 Stunden in der Woche eingesetzt und erhielt eine Grundvergütung von 1.751,92 EUR brutto. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt.

Mit Datum vom 06.12.2007/09.01.2008 vereinbarten die Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 4 f. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.02.2008 informierte der Beklagte den Betriebsrat darüber, dass er das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.03.2008 zu kündigen beabsichtigte. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 23 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat teilte am 21.02.2008 mit, dass er gegen die Kündigung keine Bedenken habe.

Mit Schreiben vom 22.02.2008 erklärte der Beklagte dem Kläger die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2008. Hiergegen richtet sich die Feststellungsklage, die am 11.03.2008 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangen ist.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2008, der am 26.08.2008 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangen ist, hat der Kläger dem Unterbezirk M2-S4 der...

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