Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auflösende Bedingung. Briefzusteller. Postbeschäftigungsunfähigkeit. Betriebliches Eingliederungsmanagement

 

Leitsatz (amtlich)

Auflösende Bedingung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Rentengewährung wegen Postbeschäftigungsunfähigkeit gemäß § 3 c TV-BZV, § 37 Abs. 4 MTV-DP AG)

  1. Zur gerichtlichen Überprüfung der Postbeschäftigungsunfähigkeit eines Briefzustellers bei unterbliebenem betrieblichen Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX:
  2. Kann der als Briefzusteller tätige Arbeitnehmer wegen der Gefahr der Verschlimmerung seiner Knie-Erkrankung nicht mehr als 10 Treppenstufen je Tour bewältigen, so ist hierbei auch die Arbeitsaufgabe zu berücksichtigen, bestimmte Schriftstücke dem Empfänger persönlich an der Wohnungstür auszuhändigen.
 

Normenkette

Tarifverträge Deutsche Post: MTV-DP AG § 37; TV BZV § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Urteil vom 08.09.2009; Aktenzeichen 3 Ca 1359/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.07.2011; Aktenzeichen 7 AZR 402/10)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 08.09.2009 – 3 Ca 1359/08 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und insbesondere um die Frage der „Postbeschäftigungsunfähigkeit” der Klägerin und die hieran geknüpfte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 37 Abs. 4 MTV-DP AG wegen Bewilligung einer Betriebsrente aus Gründen der Postbeschäftigungsunfähigkeit.

Die am 03.04.1952 geborene Klägerin ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 58 der beigezogenen Akte ArbG Herford 3 Ca 378/08) seit dem Jahre 1987 bei der beklagten D5 P1 AG im Zustellbereich, und zwar zuletzt als Zustellerin für die Betriebsstätte H2 (Niederlassung Brief) mit dem Einsatzort B1 beschäftigt. Aufgrund Gleichstellungsbescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 13.12.2006 ist sie einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Nach den Feststellungen des Versorgungsamtes vom 26.10.2006 beruht der festgestellte Grad der Behinderung von 30 auf nachfolgenden Beeinträchtigungen:

  1. Funktionseinschränkungen der Fingergelenke
  2. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Kalksalzminderung, Wirbelsäulenbrüche, ausstrahlende Beschwerden
  3. Funktionsstörung der Kniegelenke
  4. Funktionsstörung der Schultergelenke.

Die Klägerin ist in der 6-Tage-Woche beschäftigt und war bislang als Vollzeitkraft (38,5 Std/Woche) tätig, wobei das übertragene Arbeitsvolumen wegen der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf 85 % der Normalleistung reduziert war. Aufgrund des im Mai 2007 geschlossenen Altersteilzeitvertrages (Bl. 265 ff. der Akte) ist für den Zeitraum vom 01.05.2009 bis 31.10.2011 die Arbeitsphase und anschließend die Freistellungsphase vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2014 vorgesehen.

Wie unstreitig ist, erlitt die Klägerin Anfang 2006 einen Arbeitsunfall, als sie beim Austragen der Post auf Glatteis ausrutschte. Nach Abschluss der Behandlung und Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten wegen einer zwischenzeitlich vorgenommenen Änderung des Zustellbezirks und der hiermit verbundenen Belastungen der Kniegelenke durch vermehrtes Treppensteigen. Die aus diesem Grunde von der Klägerin eingeleiteten Verfahren ArbG Herford 1 Ca 378/08 sowie 1 Ga 15/08 endeten durch Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 13.06.2008 mit folgendem Wortlaut:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin derzeit insgesamt nur 85 % der ansonsten zugrunde gelegten Normalleistung zu erbringen hat. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass die ab dem 01.06.2008 vorgenommene Entlastung durch Herausnahme von zwei Straßen aus dem Laufbezirk der Klägerin verbleibt bis zur Realisierung der nächsten Neubemessung.
  2. Die zur Ziffer 1. geschilderte derzeit gewährte Entlastung wird nur in Ausnahmefällen im Falle einer Zustellbezirksaufteilung der Klägerin wieder genommen, sofern eine anderweitige Vertretung nicht realisierbar ist. Dass soll maximal an bis zu 20 % der Arbeitstage der Klägerin möglich sein.
  3. Damit ist der Rechtsstreit 1 Ga 15/08 erledigt. Erledigt ist ferner das Hauptsacheverfahren gleichen Rubrums mit dem Aktenzeichen 1 Ca 378/08.

Mit Wirkung ab Oktober 2008 erstellte die Beklagte sodann einen neuen Begehungsplan, welcher nach dem Standpunkt der Klägerin nunmehr zu unzumutbaren Mehrbelastungen durch Treppensteigen führt und insbesondere die auf Blatt 314, 315 bildlich wiedergegebenen Treppenanlagen umfasst. Unstreitig ergeben sich nach dem neuen Begehungsplan zusätzliche 15 Stufen, wobei nach Darstellung der Klägerin eine besondere Erschwernis darin begründet liegt, dass die hinzugekommenen Treppen gleich zu Beginn der Tour zu bewältigen sind, wohingegen nach der vorangehenden Tourengestaltung die Knie-Belastung durch das Tre...

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