Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. ordentlich. betriebsbedingt. Betriebsratsmitglied. Wirksamkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auf der Basis des § 15 KSchG als Spezialnorm zu § 78 S. 2 BetrVG besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, im Fall einer beabsichtigten Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer dies auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern einseitig durchzusetzen. Außerhalb der Ausnahmefälle des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG kann der Arbeitgeber die von ihm geltend gemachten betriebsbedingten Gründe zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG heranziehen – und zwar regelmäßig unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist, die sich an der Länge der fiktiv geltenden ordentlichen Kündigungsfrist zu orientieren hat.

2. Soweit es in dem Zusammenhang bei erfolgter Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat bis zur gerichtlichen Ersetzung zu einer zeitlichen Verzögerung der Umsetzung der arbeitgeberseitigen Maßnahme kommen kann, liegt das in der Systematik des besonderen Kündigungsschutzes für Amtsträger, um deren Unabhängigkeit und unbeeinflusste Amtsausübung sowie die Amtskontinuität zu wahren.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 28.04.2009; Aktenzeichen 2 Ca 387/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.04.2009 – 2 Ca 387/09 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der am 19.07.1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.06.1999 in Teilzeit als „Sachbearbeiter im Bereich Verwaltung” tätig, wofür er zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.080,00 Euro erhielt.

Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag, auf den als Anlage zum Klageschriftsatz vom 22.01.2009 Bezug genommen wird (Bl. 18 ff. d. A.).

Die Beklagte gehört einer Gruppe von Markt- und Meinungsforschungsunternehmen an. In ihrem Betrieb in B3 besteht ein Betriebsrat, dessen Mitglied der Kläger seit Oktober 2008 ist.

Mit Schreiben vom 23.12.2008, zugegangen am Folgetag, sprach die Beklagte dem Kläger „die ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen” zum 31.03.2009 aus und bot ihm zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe eines „anliegenden Arbeitsvertrages” an. Wegen des weiteren Inhalts der Änderungskündigung und des Inhalts des Vertragsentwurfes wird Bezug genommen auf die entsprechenden Anlagen zum Klageschriftsatz vom 13.01.2009 (Bl. 2 ff. d. A.) und zum weiteren klägerischen Schriftsatz vom 22.01.2009 (Bl. 12 ff. d. A.).

Der Kläger nahm das Angebot am 12.01.2009 unter Vorbehalt an.

Die Beklagte verfolgt mit der Änderungskündigung letztlich das Ziel, eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in allen Unternehmen der Unternehmensgruppe herbeizuführen. Namentlich betroffen sind die Bereiche der Arbeitszeit, des 13. Monatseinkommens, des Urlaubs und der Verfallfristen. Bislang auf tariflichen Regelungen fußende Bestimmungen sollen durch solche einer Gesamtbetriebsvereinbarung ersetzt werden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, schon wegen seines bestehenden Sonderkündigungsschutzes sei die ordentliche Änderungskündigung unwirksam. Davon abgesehen sei diese auch sozial ungerechtfertigt.

Die Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Veränderung der Arbeitsbedingungen auf Grund der am 24.12.2008 zugegangenen Änderungskündigung vom 23.12.2008 unwirksam ist

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung geäußert, im Rahmen einer – wie hier – erfolgten Massenänderungskündigungsmaßnahme bestehe kein Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG. In der Sache sei die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt, um standort- und unternehmensübergreifend einheitliche Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.04.2009 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die ordentliche Änderungskündigung sei nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unwirksam. Es gelte nämlich unterschiedslos auch im Falle sogenannter Massenänderungskündigungen der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder, so dass außerhalb des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG jeder Art einer ordentlichen, betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung ausgeschlossen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Vorab weist sie daraufhin, dass sie zunächst eine Massenentlassungsanzeige eingereicht habe, weil zu dem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen sei, dass sich letztlich nur neun Arbeitnehmer gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewehrt, während 96 % der B3 Beschäftigten ihr Einverständnis erklärt hätten.

Sie meint, für eine Änderungskündigung wie hier, die im Rahmen einer Massenänderungskündigung erfolge, gelte § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht. Andernfalls sei eine unzulässige Ungleichbehandlung gegeben, weil von einer Massenänd...

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