Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte des Arbeitnehmers bei Erteilung einer Abmahnung ohne vorherige Anhörung im Anwendungsbereich des BAT-KF. Anforderungen an die Anhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des BAT-KF vor der Erteilung einer Abmahnung nicht ordnungsgemäß angehört, so hat er aus § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 6 Satz 4 BAT-KF einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.

2. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers setzt voraus, dass er über die beabsichtigte Aufnahme eines Vorganges in die Personalakten informiert wird. Ihm muss mitgeteilt werden, welchen Inhalt die zu den Personalakten zu nehmende Abmahnung haben wird; hierzu ist es im Regelfall erforderlich, ihm die verschriftliche Abmahnungserklärung vorzulegen.

 

Normenkette

BAT-KG § 3 Abs. 6 S. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 12.07.2016; Aktenzeichen 5 Ca 120/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12.07.2016 - 5 Ca 120/16 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, das Abmahnungsschreiben vom 18.09.2015 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Beklagte ist Trägerin eines Alten- und Pflegeheims in B. Die Klägerin ist dort als examinierte Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis bestimmt nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF).

§ 3 Abs. 6 Satz 4 BAT-KF lautet:

"Über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für sie ungünstig sind oder ihnen nachteilig werden können, müssen Mitarbeitende vor Aufnahme in die Personalakte gehört werden."

Am 14.09.2015 war die Klägerin nach dem Dienstplan in der Zeit von 13.30 Uhr bis 21.00 Uhr zur Arbeit eingeteilt im Wohnbereich 2. Dort ist sie gewöhnlicherweise tätig. Auf einer anderen Etage, vom Wohnbereich 2 durch eine Treppe getrennt, befindet sich der Wohnbereich 1. Die examinierte Fachkraft, die am 14.09.2015 im Wohnbereich 1 mit gleichen Arbeitszeiten wie die Klägerin eingeteilt war, erschien krankheitsbedingt nicht zum Dienst.

Der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin, der Wohnbereichsleiter, wies sie an, in Vertretung für die ausgefallene Fachkraft im Wohnbereich 1 Medikamente zu stellen und zu verabreichen. Die Medikamente befinden sich für jeden einzelnen Bewohner in einem namentlich gekennzeichneten Wochendispenser, der durch eine Apotheke bereits gefüllt ist. Der Wochendispenser enthält auch einen Musterdispenser, aus dem die an den einzelnen Tagen zu verabreichenden Medikamente ersichtlich sind. Lediglich etwaig einzunehmende Tropfen sind nicht so vorbereitet und müssen von der Pflegekraft selbst gestellt werden. Informationen hinsichtlich der zu verabreichenden Medikamente sind der Dokumentation der einzelnen Bewohner, insbesondere der Medikamentenverordnung, zu entnehmen.

Die Klägerin lehnte es gegenüber ihrem Vorgesetzten ab, diese Arbeitsaufgabe zu erledigen. Daraufhin kam es zu einem Gespräch zwischen der Klägerin und der Pflegedienstleiterin. Die Klägerin erklärte, es sei für sie nicht ohne weiteres möglich, die Medikamente für die Bewohner im Wohnbereich 1 zu stellen, da sie diese Bewohner nicht hinreichend kenne. Sie fürchte eine etwaige Haftung bei Fehlern und werde die Medikamente im Wohnbereich 1 nur dann stellen und verteilen, sofern die Pflegedienstleiterin ihr vorher schriftlich bestätige, dass sie - die Pflegedienstleitung - hierfür die Verantwortung und gegebenenfalls die Haftung übernehme. Ein entsprechend vorbereitetes handschriftliches Schreiben hatte die Klägerin dabei. Die Pflegedienstleiterin wies die Klägerin darauf hin, dass diese das Stellen die Medikamente im Wohnbereich 1 in Vertretung zu stellen habe, und dass diese Aufgabe zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten zähle. Die Klägerin antwortete, sie könne aus fachlichen Gründen die Vertretung nicht übernehmen.

Danach wurde ein gemeinsames Gespräch zwischen der Klägerin, der Pflegedienstleiterin und der Einrichtungsleiterin in deren Büro geführt. Der Sachverhalt wurde nochmals erörtert. Die Klägerin blieb bei ihrer Verweigerungshaltung. Die Einrichtungsleiterin wies die Klägerin darauf hin, dass ihre Weigerung, Vertretungsaufgaben wahrzunehmen, arbeitsrechtliche Konsequenzen haben werde.

Mit Schreiben vom 18.09.2015 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung. In dem Schreiben heißt es:

"Abmahnung

Sehr geehrte Frau C,

am Montag, 14.09.2015 haben Sie sich geweigert, die Anweisung der Pflegedienstleiterin Frau y befolgen und Medikamente für die Bewohnerinnen des Wohnbereich 1 zu verteilen.

Diese hatte Ihnen aufgetragen, im Spätdienst diese Aufgabe für eine erkrankte Kollegin zu übernehmen.

Sie äußerten Ihre Weigerung gegenüber der Einrichtungsleiterin Frau T ...

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