Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. außerordentlich. Betriebsratsmitglied. Eigentum. Vermögen. Diebstahl. Geringwertigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein vom Arbeitnehmer zum Nachteil des Arbeitgebers begangenes Eigentums- und Vermögensdelikt ist regelmäßig geeignet, eine außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Auf den Wert des entwendeten Gegenstands kommt es dabei nicht an.

2. Die Interessenabwägung kann zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfallen, wenn der Wert der für den Eigenverzehr entwendeten Ware äußerst gering ist und der Arbeitgeber zunächst davon ausging, der Arbeitnehmer habe noch weitere Lebensmittel entwendet, was aber nicht der Fall war.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 10.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 4882/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.03.2009 – 2 Ca 4882/08 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen; der Kläger begehrt seine Weiterbeschäftigung.

Der am 01.02.1983 geborene, ledige Kläger trat mit Wirkung ab 15.06.2007 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 1.750,– EUR als Bäcker in die Dienste der Beklagten, bei der cirka 350 Mitarbeiter beschäftigt sind. Er ist Mitglied des seit dem 27.03.2008 bestehenden Betriebsrates.

Im Betrieb gibt es eine u.a. auch vom Kläger unterzeichnete „ARBEITSANWEISUNG” vom 14.01.2008, die auszugsweise wie folgt lautet:

„Betreff: Verzehr von Ausschusswaren und Retouren

Sehr geehrte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,

aus gegebenem Anlass weisen wir Sie noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Produktionsware nicht grundsätzlich für den Personalverzehr freigegeben ist. Bei welchen Produktionswaren es sich um einen Ausschuss handelt, entscheiden ausschließlich folgende Mitarbeiter:

Herr O1 Herr K1

Herr G1 Frau T1

Die oben genannten Mitarbeiter tragen Sie in die Personaleinkaufsscheine ein. Bei Shopware erhalten Sie einen Rabatt in Höhe von 20 % und bei Ausschuss und Retouren einen Rabatt in Höhe von 50 % auf den Listenpreis.

Bei Nichtbeachtung erfolgt die fristlose Kündigung und der Diebstahl wird zur Anzeige gebracht.”

Am 18.09.2008, an dem der Kläger von 5.00 Uhr bis 13.30 Uhr zu arbeiten hatte, holte er morgens zwei Brötchen aus dem sogenannten Miniladen der Beklagten, in dem die Mitarbeiter Backwaren erwerben können.

Gegen 11.40 Uhr bemerkte dann der personalverantwortliche Prokurist der Beklagten, Z1, dass der seit Mitte des Jahres 1984 als Bäcker tätige Mitarbeiter D5 eines der beiden Brötchen mit Hirtenfladenbelag belegte und sodann mit dem Verzehr begann. Der Arbeitnehmer wurde zur Rede gestellt und erklärte schließlich, dass es nicht sein Brötchen sei, er aber nicht sagen könne, wem es gehöre.

Auf den Einwand des Prokuristen Z1, in einer Videoauswertung habe er ihn, D5, mit dem Kläger gesehen, antwortete der Arbeitnehmer „Ja, dann können Sie sich das ja denken”.

Daraufhin wurde der Kläger zum Personalgespräch gebeten und räumte ein, dass es sein Brötchen sei. Er habe es nicht aufschreiben lassen. Er wisse, was das bedeute. Dann müsse man ihm eben kündigen.

Nach der Beendigung dieses Personalgesprächs fragte dann noch der Arbeitnehmer D5, was jetzt mit ihm sei. Dies löste auf Seiten der Beklagten Unverständnis aus,

woraufhin der Arbeitnehmer erklärte: „Ja, ich hatte doch auch ein Brötchen, das haben Sie nur nicht gesehen”.

Noch am 18.09.2008 leitete die Beklagte schriftlich ein Beteiligungsverfahren beim Betriebsrat ein – namentlich mit der Absicht, dem Kläger eine fristlose Kündigung wegen des „Diebstahls eines Brötchens mit Hirtenfladenbelag” auszusprechen (Bl. 45 d.A.).

Zu der für den 24.09.2008 anberaumten Betriebsratssitzung wurden die Betriebsratsmitglieder mit folgender Tagesordnung geladen:

„TOP 1 Verteilung des Protokolls vom 10.09.2008

TOP 2 Personelle Maßnahmen – Anhörungsbögen

TOP 3 Verschiedenes”

In der Sitzung am 24.09.2008, in der das geladene Ersatzmitglied Seibt unentschuldigt fehlte, äußerte sich der angehörte Kläger u.a. wie folgt:

„Er habe sich die Brötchen aus dem Miniladen geholt. Die Verkäuferin habe diese aber nicht aufgeschrieben. Somit wäre nur der Belag, den er sich selbst genommen hat, nicht aufgeschrieben bzw. berechnet worden.”

Anschließend stimmte der acht Personen umfassende Betriebsrat der fristlosen Kündigung zu.

Am Folgetag, dem 25.09.2008, wurde dem Kläger die erste außerordentliche Kündigung zugestellt, ohne dass die Beklagte Kenntnis von dessen Einlassung in der vorangegangenen Betriebsratssitzung erlangt hatte.

Zuvor hatte die Gewerkschaft NGG am Morgen des 25.09.2008 die Beklagte schriftlich darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht zur Betriebsratssitzung am Vortag nicht ordnungsgemäß geladen worden sei.

Daraufhin beantragte die Beklagte (vorsorglich) erneut die Zustimmung des Betriebsrates, die in der Sitzung am 29.09.2008 nicht erteilt wurde. Daraufhin leitete...

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