Entscheidungsstichwort (Thema)

Unvollständige Namensliste nach vorgreiflicher Kündigung. Nachschieben von Kündigungsgründen in der Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

Betriebsbedingte Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz.

Haben die Betriebsparteien den gekündigten Arbeitnehmer wegen einer vorgreiflichen Kündigung nicht in die Sozialauswahl einbezogen, führt dies nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung, wenn der Insolvenzverwalter mit Erfolg geltend machen kann, der Kläger wäre aufgrund der mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinie in jedem Fall entlassen worden.

Kein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter auf entsprechende Rüge des Arbeitnehmers seinen Sachvortrag zur Sozialauswahl ergänzt.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen 8 Ca 4752/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.06.2008 – 8 Ca 4752/07 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger will die Unwirksamkeit der von dem Beklagten auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung vom 21.08.2007 feststellen lassen.

Der am 26.07.1959 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein Kind hat, war bei der Firma D1-H1 GmbH seit dem 16.07.1990 als technischer Angestellter unter Tage gegen eine monatliche Vergütung von 3.037,45 EUR brutto tätig. Über das Vermögen der Firma D1-H1 wurde am 01.06.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 18.06.2007 einen Interessenausgleich über die Fortführung des Betriebes mit einer von 940 Mitarbeitern auf 340 Mitarbeiter reduzierten Belegschaftsstärke. Bezüglich der Sozialauswahl der zu kündigenden Mitarbeiter vereinbarten die Betriebsparteien eine Auswahlrichtlinie gemäß § 1 Abs. 4 KSchG, in der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter wie folgt festgelegt wurden:

Lebensalter:

Für jedes vollendete Lebensjahr 1 Punkt max.

55 Punkte

Betriebszugehörigkeit:

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit

1 Punkt

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab dem 11. Beschäftigungsjahr

2 Punkte

max.

70 Punkte

Unterhaltspflichten:

Verheiratet

2 Punkte

Je 0,5 Kind lt. Steuerkarte

1 Punkt

Schwerbehinderung:

Schwerbehinderung i.S.d. §§ 85 ff SGB IX oder Gleichstellung

5 Punkte

Bergmannsversorgungsschein:

5 Punkte

Liegen sowohl Schwerbehinderung oder Gleichstellung und ein Bergmannsversorgungsschein vor, bleibt es bei 5 Punkten

Als Stichtag für die Berechnung wurde der 06.06.2007 zugrunde gelegt. Bei Mitarbeitern, die eine gleichhohe Punktzahl aufweisen oder bei denen eine Differenz von bis zu 6 Punkten vorliegt, verpflichteten sich die Betriebsparteien zu einer einvernehmlichen Entscheidung im Wege einer individuellen Abschlussprüfung.

Dem Interessenausgleich war als Anlage 2 eine Aufstellung der Vergleichsgruppen beigefügt. Beigefügt war ferner als Anlage 1 eine Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter, auf die im Interessenausgleich unter II.2. Bezug genommen worden ist.

In Teil 1 II.5. des Interessenausgleichs heißt es, dass in die soziale Auswahl diejenigen Mitarbeiter nicht einbezogen worden seien, die nach Maßgabe des Interessenausgleichs/Sozialplans vom 15.08.2006 eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hätten, die wegen anhängiger Kündigungsschutzklage noch nicht rechtskräftig geworden sei. Zu diesem Personenkreis gehört auch der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis bereits vor Insolvenzeröffnung von der Insolvenzschuldnerin am 27.09.2006 fristgemäß zum 31.03.2007 gekündigt worden war. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.01.2008 in dem Rechtsstreit 8 Ca 4668/06 rechtskräftig die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt.

Eine Liste der laufenden Kündigungsschutzverfahren mit den Namen der betroffenen Arbeitnehmer, zu denen auch der Kläger gehört, ist als Anlage 3 dem Interessenausgleich vom 18.06.2007 beigefügt.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und sozialwidrig. Er hat vorgetragen, eine schlüssige Unternehmerentscheidung liege nicht vor. Die Sozialauswahl sei nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden. Außerdem rügt der Kläger die nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats sowie die unterbliebene Massenentlassungsanzeige.

Der Beklagte hat vorgetragen, die erforderliche Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG sei am 26.06.2007 gegenüber der Agentur für Arbeit D2 erstattet worden. Er hat das Eingangsbestätigungsschreiben der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt. Darauf wird Bezug genommen (Bl. 77 d.A.).

Der Beklagte beruft sich auf die Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und trägt vor, der Kläger sei in der Anlage 3 des Interessenausgleichs namentlich...

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