Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. betriebsbedingte Gründe. Schließung des Fuhrparks. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. freier Arbeitsplatz. Interessenausgleich mit Namensliste. Sozialauswahl. grobe Fehlerhaftigkeit. Vergleichbarkeit. keine Vergleichbarkeit bei aushilfsweisem Einsatz

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Zuge einer Betriebsänderung der betriebseigene Fuhrpark stillgelegt und sollen aus diesem Grunde die beschäftigten Kraftfahrer entlassen werden, so erstreckt sich die erforderliche Sozialauswahl auch dann nicht auf die Mitarbeiter der Versandabteilung, wenn die Kraftfahrer in der Vergangenheit im Fall fehlender Auslastung dort regelmäßig mit Verladetätigkeiten befasst gewesen sind und hierdurch stillschweigend eine Vertragsänderung mit dem Inhalt zustande gekommen ist, ersatzweise Aufgaben im Versand zu übernehmen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 24.11.2005; Aktenzeichen 4 Ca 779/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.10.2008; Aktenzeichen 2 AZR 163/07)

BAG (Aktenzeichen 7 AZR 163/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 24.11.2005 – 4 Ca 779/05 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1956 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder), welcher seit dem Jahre 1981 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 5 d.A.) als Fahrer gegen ein monatliches Bruttoeinkommen von ca. 3.100,00 EUR bei der Beklagten beschäftigt ist, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung vom 23.02.2005 – zugegangen am 28.02.2005 – mit Wirkung zum 30.09.2005. Weiter macht der Kläger Vergütungsansprüche für den Monat Oktober 2005 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend.

Die angegriffene Kündigung hat die Beklagte, welche ein Unternehmen der Bekleidungsindustrie führt, mit – noch nicht bestandskräftiger – Zustimmung des Integrationsamtes und nach vorangehender Betriebsratsanhörung mit der Begründung ausgesprochen, im Zuge einer umfassenden Betriebsänderung mit Interessenausgleich und Namensliste (Bl. 75 ff. d.A.) werde der bislang geführte betriebseigene Fuhrpark bis auf einen für Auslieferungsfahrten weiter benötigten Lkw aufgelöst, weswegen von den bislang acht beschäftigen Fahrern nur noch der sozial schutzwürdigere Fahrer K3xxxx weiterbeschäftigt werden könne. Demgegenüber hat der Kläger geltend gemacht, zum einen beschränke sich der Bedarf an Fahrertätigkeiten nicht auf den für Auslieferungsfahrten vorgehaltenen Lkw, vielmehr belege der Umstand, dass die Beklagte den zunächst entlassenen Versandarbeiter Fonger nunmehr mit dem Fahren des für den innerbetrieblichen Transport vorgesehenen Umsetzers beschäftige, dass tatsächlich ein zusätzlicher Bedarf für die Erledigung von Fahrtätigkeiten vorliege. Infolgedessen sei die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG jedenfalls widerlegt. Im Verhältnis zum Arbeitnehmer F2xxxx genieße er – der Kläger – ohnehin eine deutlich höhere Schutzbedürftigkeit. Zum anderen habe die Beklagte zu Unrecht die Sozialauswahl auf die vormals im Fuhrpark eingesetzten Fahrer beschränkt. Tatsächlich seien die Fahrer in den letzten Jahren bei Fehlen von Fahrtaufträgen jeweils zu Tätigkeiten im Versand – und zwar keineswegs beschränkt auf das Beladen des eigenen Fahrzeugs – herangezogen worden, so dass die im Arbeitsvertrag genannte Aufgabenstellung als Kraftfahrer jedenfalls stillschweigend auf Versandtätigkeiten ausgedehnt worden sei. Im Verhältnis zu einer Vielzahl von Versandmitarbeitern genieße er – der Kläger – eine deutlich höhere Schutzbedürftigkeit. Im Hinblick auf den Einsatz des Klägers im Versand fehle es im Übrigen auch an einer entsprechenden Unterrichtung des Betriebsrats, darüber hinaus sei der Betriebsrat nicht davon unterrichtet worden, dass neben dem verbliebenen Lkw-Zug auch der Umsetzer weiterhin gefahren werden müsse und hierfür an sich eine weitere Person als Fahrer beschäftigt werden müsse oder könne.

Durch Urteil vom 24.11.2006 (Bl. 240 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Weiter ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger als Arbeitsvergütung für den Monat Oktober 2005 einen Betrag von 3.135,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, auf der Grundlage des abgeschlossenen Interessenausgleichs nebst Namensliste komme zwar die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG in Betracht. Diese sei jedoch auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als entkräftet anzusehen. Tatsächlich bestehe nämlich bei der Beklagten ein Beschäftigungsbedarf nicht nur für den sozial schutzwürdigen Fahrer K3xxxx. Vielmehr belege der Umstand, dass die Beklagte auch den vo...

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