Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsanspruch. Betriebsrat. Mitbestimmung. Versetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Versetzung ist mitbestimmungswidrig und zugleich individualrechtlich unwirksam, wenn der Arbeitgeber sie als endgültige personelle Maßnahme und nicht als vorläufige im Sinne des § 100 BetrVG durchführt und den Betriebsrat nach § 99 BetrVG zwar unterrichtet hat, die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG aber noch nicht abgelaufen ist und der Betriebsrat erst nach Vornahme der Versetzung zustimmt.

2. Eine Versetzung ist bereits dann erfolgt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Anweisung gibt, an einem bestimmten Ort eine bestimmte Tätigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verrichten. Von der Zufälligkeit, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, diese neue Tätigkeit tatsächlich aufzunehmen, oder ob er daran aufgrund von Krankheit gehindert ist, hängt der Zuweisungsakt als solches nicht ab.

3. Ein Arbeitnehmer kann sich gegen eine Versetzung auch mit einer Klage auf Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen, d.h. auf seinem alten Arbeitsplatz wenden (entgegen LAG Hamm, 8. März 2005, 19 Sa 2128/04, NZA-RR 2005, S. 462 ≪463 f.≫). Ein entsprechendes Urteil hat nicht lediglich feststellenden Charakter (entgegen BAG, 2. April 1996, 1 AZR 743/95, NZA 1997, S 112 ≪114≫). Einwendungen gegen den Beschäftigungsanspruch, z. B. die Zuweisung einer anderen Tätigkeit durch eine erneute, diesmal rechtmäßige Ausübung des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber im laufenden Verfahren bis zur letzten mündlichen Verhandlung (ggf. auch im Berufungsverfahren), danach im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.

 

Normenkette

BetrVG § 99; BGB § 611; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 27.09.2007; Aktenzeichen 3 Ca 5683/06)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 5 AZR 669/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 27. September 2007 (3 Ca 5683/06) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers von seinem Arbeitsplatz als Teamleiter des Warenverteilzentrums Schmuck in E2 nach H7 als Qualitätskontrolleur unwirksam ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/5, die Beklagte zu 3/5.

Der Streitwert wird auf 5.500,00 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der am 8. Mai 1950 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Firma K3 AG, seit dem 1. Oktober 1968 beschäftigt. Sein Verdienst betrug zuletzt rund 3.300,00 Euro brutto. Grundlage ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 9. Juli 1996 (Bl. 144 f. d. A.), in dem es u. a. heißt:

1. Die K3 Aktiengesellschaft stellt Sie ab 01.08.1996 als Substitut für das WVZ HV / KST 403/751013 ein.

Sie erhalten nach Tarifgruppe B III ein monatliches, nachträglich zahlbares Gehalt von DM 5.500,00 brutto.

4. Die K3 Aktiengesellschaft ist berechtigt, Ihnen nach Bedarf eine andere, persönlich zumutbare und vergleichbare Beschäftigung, auch in einer anderen Betriebsstelle in angemessener Entfernung, zuzuweisen. …

Der Kläger war seit August 1996 im Warenverteilzentrum Schmuck in E2 tätig. Im August 1997 erstellte er im Auftrag seines damaligen Vorgesetzen B3 mitarbeiterbezogene Tätigkeitsdarstellungen für die im Warenverteilzentrum Schmuck Beschäftigten, u. a. für sich (Bl. 331 d. A.) sowie für die Mitarbeiterin G3 (Bl. 332 d. A.). In Letzterer ist als erste Aufgabe die „Vertretung des Substituten WVZ” genannt. Des Weiteren existierte eine „Stellenbeschreibung für den Substituten/1. Kraft Funktionsbereich 1 U1/Satelliten – Stand: 01/97” (Bl. 354 ff. d. A.). Nach dem Betriebsübergang am 1. April 2005 wurden sowohl der Kläger als auch die Mitarbeiterin G3 unter der Bezeichnung „Teamleiter” bei der Beklagten im Warenverteilzentrum Schmuck eingesetzt. Hierfür existiert eine Stellenbeschreibung vom 26. April 2005 (Bl. 360 d. A.). Der Teamleiter hat folgende Aufgaben:

  1. Mitwirkung bei der Erstellung der Budgetplanung
  2. Planung Personal, Arbeitsmengen und Produktivität
  3. Steuerung und Überwachung von Personaleinsatz sowie Urlaubs-, Freizeit- und Pauseneinteilung
  4. Erfassen von Kennzeichen zur Produktions- und Leistungssteuerung
  5. Überwachung der sach-, fach- und termingerechten Arbeitserledigung
  6. Prüfung der Einhaltung von Lieferantenrichtlinien und logistischen Rahmenbedingungen
  7. Veranlassung von Bestandskontrollen/-korrekturen
  8. Optimierung der Lagerstruktur und Arbeitsabläufe
  9. Verhalten entsprechend der bestehenden gesetzlichen und innerbetrieblichen Vorschriften zur Arbeitssicherheit und Unfallverhütung.

Am 23. Oktober 2006 führte die Beklagte, vertreten durch den Personalleiter N1 und den Niederlassungsleiter G4 mit dem Kläger im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden B2 ein Personalgespräch. In diesem wurde der Kläger damit konfrontiert, dass die Mitarbeiterin K4 sich über sexuelle Belästigungen durch ihn beschwert habe. Der Kläger wurd...

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