Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. fehlender Leistungswille. böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Weiterbeschäftigungsurteil. Zwangsvollstreckung. Zumutbarkeit. Unzumutbarkeit. Arbeitsaufforderung. Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum böswilligen Unterlassen anderweitigen Erwerbs nach erstrittener Weiterbeschäftigung: Entgegen BAG keine Obliegenheit zur Arbeitsaufnahme auf vollstreckungsrechtlicher Grundlage

Abweichend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 13.07.2005, 5 AZR 578/04, NZA 2005, 1348; BAG, 24.09.2003, 5 AZR 500/02, NZA 2004, 90) ist der Arbeitnehmer nicht gehalten, zum Erhalt seiner Ansprüche auf Verzugslohn die ihm ausdrücklich allein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung angebotene Weiterbeschäftigung aufzunehmen. Die Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes gemäß § 11 Nr. 2 KSchG, § 615 Satz 2 BGB setzt vielmehr ein Angebot zur Beschäftigung auf der Grundlage eines vereinbarten Prozessrechtsarbeitsverhältnisses voraus, welches den regulären sozialen Schutz des Arbeitsverhältnisses gewährleistet.

 

Normenkette

KSchG § 11 Nr. 2; BGB § 615 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 6 Ca 2276/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.08.2011; Aktenzeichen 5 AZR 251/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.05.2009 – 6 Ca 2275/07 – teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 25.327,22 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 9.909,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf 2.115,36 EUR seit dem 01.09.2007 sowie auf jeweils 3.325,57 EUR seit dem 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007 und 01.01.2008 bis zum 10.06.2008 zu zahlen.
  2. Die Klage wird abgewiesen, soweit es den im arbeitsgerichtlichen Schlussurteil titulierten Zinsanspruch ab dem 10.06.2008 betrifft.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Die Revision wird allein für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Mit seiner Klage nimmt der Kläger, welcher bei der Beklagten als Verpackungsentwickler gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 5200 EUR tätig ist, diese im Anschluss an einen erfolgreich geführten Kündigungsschutzprozess auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Oktober 2006 bis Dezember 2007 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges in Anspruch.

Zuvor hatte das Arbeitsgericht durch Urteil vom 05.06.2007 die im Verfahren ArbG Bielefeld 1 Ca 1398/06 angegriffene Kündigung – betreffend eine ordentliche, krankheitsbedingte Kündigung vom 15.05.2006 zum 30.09.2006 – für unwirksam erklärt und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung (LAG Hamm 14 Sa 1437/07) ist erfolglos geblieben.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils hatte der Kläger wegen des ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruchs die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Hierauf wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 02.08.2007 (Bl. 139 d. A.) an den Kläger mit der Aufforderung, vorläufig die Arbeit wieder aufzunehmen. In dem Schreiben heißt es wie folgt:

Ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung sind wir bereit, Sie urteilsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigung erfolgt nur bis zum Tage der Entscheidung des LAG, da wir davon ausgehen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aufgehoben wird.

Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln der erzwungenen Weiterbeschäftigung.

Wir fordern Sie hiermit auf, am 07.08.2007 um 10.00 Uhr bei Herrn Dr. S. zu erscheinen. Er wird ihnen dann ihren Arbeitsplatz zuweisen.

Mit Faxschreiben vom 07.08.2007 teilte der Kläger mit, er werde an diesem Tage nicht erscheinen. Den gestellten Zwangsgeldantrag nahm der Kläger in der Folgezeit zurück und sah von einer Arbeitsaufnahme ab. Eine nachfolgende, ebenfalls aus Krankheitsgründen ausgesprochene Kündigung vom 28.08.2007 zum 31.12.2007 ist vom Arbeitsgericht im Zuge des vorliegenden Verfahrens durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil vom 21.05.2008 (Bl. 158 ff. d. A.) für unwirksam erklärt worden. Zu einer Wiederaufnahme der Arbeit ist es bislang wegen fortdauernder Erkrankung des Klägers nicht gekommen.

Durch Schlussurteil vom 13.05.2009 (Bl. 237 ff d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 10.08.2007 nebst Zinsen verurteilt, hingegen das weitere Klagebegehren wegen der Ansprüche für den Folgezeitraum bis zum 31.12.2007 mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger habe es am erforderlichen Leistungswillen gefehlt, nachdem er zunächst die Zwangsvollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Weiterbeschäftigungsurteil angedroht habe und nicht auf die erklärte Bereitschaft der Beklagten eingegangen sei, ihn zur Abwendung der Z...

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