Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. Mobbing. „Rudelmobbing”. Beteiligung mehrerer Schädiger. „Gesamthandlung”. Gliederung in Tatkomplexe bei fehlendem Zusammenwirken. Fälligkeit. tarifliche Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Schadensersatz wegen Mobbing-Handelns durch mehrere Beteiligte;

Fristbeginn für tariflichen Verfall

Verlangt der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Schadensersatz mit der Begründung, er sei während der Dauer seiner Tätigkeit in verschiedenen Fachabteilungen systematischen Mobbing-Handlungen der jeweiligen Vorgesetzten sowie anschließend nach Beginn seiner Erkrankung weiteren Mobbing-Handlungen des Personalleiters ausgesetzt gewesen, welcher es darauf angelegt habe, ihn endgültig aus dem Arbeitsverhältnisse hinauszudrängen, so kommt eine zusammenfassende Beurteilung sämtlicher Schädigungshandlungen als einheitliches schadensstiftendes Gesamtgeschehen nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass sich ein zeitabschnitts- und personenübergreifendes systemisches Handeln der Beteiligten feststellen lässt. Fehlt es an Anhaltspunkten für eine entsprechende Unrechtsabrede und/oder ein gemeinsames Motiv der Beteiligten, so beginnt mit Abschluss des jeweils täterbezogenen Mobbing-Komplexes eigenständig der Beginn der tariflichen Ausschlussfrist hinsichtlich der hierauf gestützten Ansprüche (Fortführung von BAG, 16.05.2007, 8 AZR 709/06 = NZA 2007,1154).

 

Normenkette

BGB §§ 823, 831, 280, 278

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 24.11.2005; Aktenzeichen 1 Ca 1603/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 24.11.2005 – 1 Ca 1603/02 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach erfolgreicher Revision des Klägers weiterhin um Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung wegen „mobbings”.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens hält der seit dem Jahre 1987 beim beklagten Kraftwerksunternehmen bzw. deren Rechtsvorgängerin als Versuchsingenieur beschäftigte Kläger an seiner Darstellung fest, er sei seit Beginn seiner Tätigkeit systematischen Mobbing-Handlungen seiner Vorgesetzten K3 und nach Versetzung in die Abteilung EAP – des dortigen Vorgesetzten D1. S4 ausgesetzt gewesen. Hierauf gehe es zurück, dass er seit Herbst 1999 durchgängig erkrankt und inzwischen dauerhaft berentet sei. Zu einer dauerhaften Schädigung mit der Folge vollständiger Erwerbsminderung habe sodann die Tatsache beigetragen, dass er auch in der Folgezeit weiteren Mobbing-Handlungen durch den seinerzeitigen Personalleiter L1 ausgesetzt gewesen sei, welcher den Kläger als Querulanten behandelt und im Zusammenhang mit den Kläger betreffenden Personalangelegenheiten den gezielten Versuch unternommen habe, den Kläger persönlich „fertigzumachen” und aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Auch gegenüber der Beklagten selbst und ihren Organen müsse der Vorwurf des Mobbing erhoben werden. Daneben hafte die Beklagte für das Handeln der Herren K3, D1. S4 und L1 als Verrichtungsgehilfen i.S. des § 831 BGB, ferner müsse sich die Beklagte im Rahmen der Vertragshaftung das Handeln der genannten Personen gem. § 278 BGB als Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten seien die verfolgten Ansprüche auch keineswegs aufgrund tariflichen Verfalls erloschen. Auch wenn dem Grundsatz nach – der Revisionsentscheidung folgend – Ansprüche auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden von der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Verfallklausel erfasst würden, scheitere die Annahme eines tariflichen Verfalls jedenfalls daran, dass die vorgetragenen Mobbing-Handlungen nicht isoliert, sondern im Sinne eines systematischen Gesamtverhaltens zu würdigen seien. Wie im Revisionsurteil festgehalten, reichten einzelne der vorgetragenen Mobbing-Handlungen bis in den Zeitraum kurz vor Klageerhebung, so dass sämtliche Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht seien. Soweit demgegenüber die Beklagte den Standpunkt einnehme, es fehle an einem inneren Zusammenhang der vorgetragenen Mobbing-Handlungen der verschiedenen Vorgesetzten, insbesondere soweit es den Zeitraum seit der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab Herbst 1999 betreffe, werde verkannt, dass es sich vorliegend um einen Vorgang des „Rudel-Mobbings” unter Beteiligung der Vorgesetzten und der Geschäftsführung handele. Das übereinstimmende Ziel sämtlicher Beteiligten sei es gewesen, den Kläger, welcher schwerwiegende Berechnungsfehler bei der Erstellung des Kraftwerks S5 aufgedeckt habe, aus den Betrieb herauszudrängen und so die dargestellten Fehler zu vertuschen. Dieses Motiv gelte nicht allein für den Abteilungsleiter D1. S4, sondern für die gesamte Tätergruppe unter steuernder oder duldender Beteiligung des Geschäftführers, Bereichsleiters und des für die Kraftwerksberechnungen zuständigen Abteilungsleiter...

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