Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall. Rotlichtverstoß. Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung. Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Arbeitnehmerhaftung: Die Nichtbeachtung des Rotlichts einer Verkehrsampel ist nicht stets als grob fahrlässig anzusehen. Besondere Umstände z.B. das Verwechseln der Lichtzeichen an einer unübersichtlichen Kreuzung können den Schuldvorwurf abmildern.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 254, 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen 5 Ca 209/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 05.06.2002 – 5 Ca 209/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte verursachte am 04.10.2000 als Arbeitnehmerin der S4xxxxxxxxxxxxx G1xxxxx P6xxxx GmbH mit dem von ihr gesteuerten Firmenfahrzeug VW Golf H3x-P7 12 an der Kreuzung S5xxxxxxxxxxx/C1xxxxxxx H2xxxxx in B4xxxx einen Verkehrsunfall. Sie kollidierte beim Einfahren in die Kreuzung mit dem Fahrzeug des von dem Zeugen J1.B5. P6xxxx gesteuerten PKW E2-H4 31x.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Beklagte habe den Schaden grob fahrlässig verursacht, weil sie trotz roter Ampel weitergefahren sei.

Demgegenüber macht die Beklagte geltend, sie habe an der unübersichtlichen und für sie unbekannten Kreuzung mit zwei getrennt geschalteten Linksabbieger- und zwei Geradeausspuren das für sie maßgebliche Lichtzeichen versehentlich nicht erkannt. Sie sei losgefahren, als die Ampel grünes Licht angezeigt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 05.06.2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die gemäß § 67 VVG erforderlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe sich nicht grob fahrlässig verhalten. Es handele sich vorliegend aufgrund besonderer Umstände nicht um einen typischen Rotlichtverstoß. Der Schuldvorwurf gegenüber der Beklagten überschreite nicht den oberen Bereich der mittleren Fahrlässigkeit. Die Beklagte habe nämlich zunächst die Lichtzeichenanlage beachtet und angehalten. Sie sei erst bei grün weitergefahren. Wenn sie dabei in Sekunden der Unaufmerksamkeit das Linksabbiegersignal fälschlicherweise auf ihre Fahrbahn bezogen habe, rechtfertige dies noch nicht den Vorwurf der schweren Fahrlässigkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt sie vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen sei die Nichtbeachtung des Rotlichtzeichens durch die Beklagte als grob fahrlässig anzusehen. Das Arbeitsgericht habe die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet. Sie bestreite die Behauptungen der Beklagten, der Kreuzungsbereich sei ihr unbekannt gewesen und die über der Fahrbahn angeordnete Lichtzeichenanlage sei für ein unmittelbar vor der Haltelinie stehendes Fahrzeug nicht einsehbar gewesen. In subjektiver Hinsicht fehle es an den notwendigen Umständen, die es rechtfertigten, das Verhalten der Beklagten geringer als grob fahrlässig zu werten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 05.06.2000 – 5 Ca 209/02 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.067,75 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die beigezogene Bußgeldakte der Stadt B4xxxx ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt seiner überzeugenden Würdigung, dass das Verhalten der Beklagten noch nicht den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.

I.

Das Missachten des Rotlichts ist nicht stets grob fahrlässig. Es kommt vielmehr auf die im Einzelfall zu prüfenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen an. Ist die Ampel verdeckt oder nur schwer erkennbar, kann es nicht als grob fahrlässig bewertet werden, wenn der Fahrer zunächst bei „rot” angehalten hat, dann aber in der irrigen Annahme, die für ihn maßgebliche Ampel habe auf „grün” umgeschaltet, wieder angefahren ist (BGH vom 29.01.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118; OLG Hamm vom 30.04.1993 – 20 U 362/92 –; ferner OLG Hamm NJW-RR 2000, 1477). So liegen die Dinge hier. Das Überfahren des Rotlichtsignals kann der Beklagten aufgrund...

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